Der Druck auf Brüdergemeinde, Mediatoren und Betroffene des Missbrauchsskandals wächst. In zwei Wochen soll ein Aufklärer benannt werden.

Korntal-Münchingen - Der Druck von außen auf die ehemaligen Heimkinder und die evangelische Brüdergemeinde wächst: Inzwischen schaut auch der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung nach Korntal. Der Bürgermeister indes bekräftigt seine Forderung nach lückenloser Aufklärung. Doch die Fronten sind verhärtet.

 

Das ist ein Zustand, den niemand will, so man den Beteuerungen aller Beteiligten glauben mag. Wie viel diese Aussagen wert sind, wird sich in zwei Wochen zeigen. Dann soll eine Person benannt werden, die die Vorfälle von psychischer, physischer und sexualisierter Gewalt in den Kinderheimen der Brüdergemeinde aufklärt.

Noch ist unklar, von wie vielen Betroffenen auszugehen ist. Zehn, 20, hunderte? „Aus diesem Spannungsfeld müssen wir raus“, sagt Klaus Andersen, der weltliche Vorsteher der Brüdergemeinde. Die Mediatoren Gerhard Bauz und Elisabeth Rohr sollen zunächst die zerstrittenen Betroffenen mit der Brüdergemeinde an einen Tisch holen. Doch schon der Start war holprig: Detlev Zander – er hatte die Vorfälle öffentlich gemacht – und seine Mitstreiter im Betroffenenforum gehören nach Differenzen mit den Mediatoren bisher nicht jener Gruppe an, die den Aufklärer wählen soll. Zu ihr gehören Vertreter der Brüdergemeinde und ein zweiter, Zander kritischen Opferverband um Wolfgang Schulz. Doch ohne Zander geht es nicht, das bestreitet ernsthaft niemand. Deshalb wird im Hintergrund um eine Lösung gerungen.

Wird Zander tatsächlich eine Vertrauensperson zur Seite gestellt, um eine verlässliche Gesprächsbasis für alle zu finden? Auch dies war ein Rat aus Berlin gewesen.

Einige Personen stehen als Aufklärer zur Wahl, nicht alle Namen sind öffentlich. Schulz und seine Mitstreiter hatten den Kriminologen Christian Pfeiffer favorisiert, Zander hingegen Ulrich Weber, der den Missbrauch bei den Regensburger Domspatzen aufklärt. Dabei geht es Zander vorrangig um Webers Vorgehensweise. Weber hatte Zugang zu den Archiven und alle gleichzeitig mit einem Zwischenbericht über die Ergebnisse informiert.

Sollte dieses Verfahren auch in Korntal zur Anwendung kommen, könnte auch die Brüdergemeinde keinen Einfluss mehr auf die Aufarbeitung nehmen. Deren weltlicher Vorsteher hat zwar immer betont, man wolle, „dass alles auf den Tisch kommt“. Doch sind nicht auch die Mediatoren Dienstleister ihres Auftraggebers? Mindestens Bauz hat im kirchlichen Kontext gearbeitet, die Brüdergemeinde hat auch ihre Arbeit zu bezahlen. An der Nähe zur Brüdergemeinde war schon der erste Anlauf der Aufarbeitung unter der Wissenschaftlerin Mechthild Wolff gescheitert.

Zander, so sehr er seine Kritiker bisweilen attackiert, ist vorsichtig geworden, nicht nur des ambitionierten Zeitplans wegen. Die Gruppe um Wolfgang Schulz hatte sich über die Ankündigung der Mediatoren gefreut, bis August die Aufklärung abgeschlossen zu haben, sodass bis Ende 2017 die ersten Anerkennungsleistungen bezahlt werden könnten. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung hingegen sagte, es sei ein großer Fehler, bei einer Aufarbeitung unter Zeitdruck zu arbeiten.

Zander befürchtet nun ein „Wolff 2.0“. „Die AG macht denselben Fehler, den wir gemacht haben“, sagt er. Die Freude über schnelle Ergebnisse und Zahlungen für erlittenes Leid kann er nachvollziehen, die von der Brüdergemeinde gebotene Summe von 5000 Euro aber sei inakzeptabel. Sie kaufe sich günstig frei. Bei den Domspatzen werden bis zu 20 000 Euro bezahlt.