Über die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in Heimen der Brüdergemeinde wird gestritten. Im Fokus steht dabei auch der Mann, der die Vorfälle publik gemacht hat: Er ist zur Reizfigur geworden.

Korntal-Münchingen - Nun sollen es also Brigitte Baums-Stammberger und Benno Hafeneger richten. Sie sollen im Korntaler Missbrauchsskandal aufklären und aufarbeiten. Bei ihrer öffentlichen Vorstellung – die Namen der ehemaligen Richterin und des renommierten Jugendforschers waren da bereits bekannt – wurden die unterschiedlichen Ansichten über die Aufarbeitung offensichtlich: hier die Auftraggebergruppe, dort Detlev Zander. Hier die Vertreter von Brüdergemeinde, Korntaler Bürgern und Betroffenen, dort der Mann, der die Fälle von psychischer und physischer Gewalt in den Einrichtungen der evangelischen Brüdergemeinde Korntal vor drei Jahren publik gemacht hat. Und mittendrin: die ehemalige Richterin und der Jugendforscher, die ihre Unabhängigkeit betonten und sich bemühten, nicht in den offenen Konflikt zu geraten. Zander überzeugte ihre Zurückhaltung nicht: „Da gehören Profis ans Werk und keine Rentner, die von den Mediatoren Gerd Bauz und Elisabeth Rohr vorgeschlagen werden.“

 

Zander ist der Sprecher der Opfergruppierung Netzwerk Betroffenenforum. Er ist für einige inzwischen zur Reizfigur geworden. Auf der Internetseite der Opferhilfe Korntal – in ihr haben sich Personen unterschiedlicher Motivation zusammengefunden – wird mit den Worten „Zander rausgeflogen“ kolportiert, das Netzwerk sei wegen Detlev Zander inzwischen gespalten. Nicht nur er selbst dementiert dies, auch seine Mitstreiterin Martina Poferl bezeichnet das als falsch.

Zander: für einige ein Störenfried

Vertreter der Opferhilfe gehören mit der AG Heimopfer – neben dem Netzwerk die zweite Opfergruppierung – und der Brüdergemeinde einem Gremium an, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Aufarbeitung voranzutreiben. Sie arbeiten unter der Leitung von Elisabeth Rohr und Gerd Bauz. Die beiden sind als Mediatoren nach Korntal geholt worden. Das Netzwerk um deren Sprecher Detlev Zander ist nach einiger Zeit aus Kritik an den Mediatoren aus dem Mediationsprozess ausgestiegen. Dass Rohr in der Folge verfügte, das Netzwerk solle keine Informationen mehr erhalten, bestätigte Zander nur in seiner Kritik.

Die Situation war schon schwierig und wurde noch schwieriger, als Zander zudem zum Boykott der Aufarbeitung aufrief, aus Distanz zu der beschlossenen Aufarbeitung der Fälle nur bis ins Jahr 1980. „Wer lässt es zu, dass fast eine ganze Generation keine Stimme erhält?“, fragt Zander und fordert eine Untersuchung bis in die Gegenwart, also auch noch nicht verjährter Fälle.

Detlev Zander wurde immer mehr zum Störenfried für jene, die die Aufarbeitung schnell vorantreiben wollen. Doch er bleibt bei seiner Kritik: Es könne doch auch nicht sein, dass den Betroffenen, wie nun geplant, mit Brigitte Baums-Stammberger nur eine Ansprechpartnerin zur Verfügung stünde. „Manche wollen ihre Geschichte nur einem Mann erzählen.“

Die AG Heimopfer wiederum verfolgt ihren Weg, der vor allem vom Wunsch geprägt ist, die Betroffenen nicht länger warten zu lassen. Die Brüdergemeinde hat für die Opfer bis zu 5000 Euro in Aussicht gestellt; deren Laienvorsteher Klaus Andersen gab bei der Vorstellung der Aufklärer an, dass im Einzelfall mehr gezahlt würde.

Finanzielle Anerkennung ist das Ziel aller Betroffenen

Dass das Leid der Betroffenen bald finanziell anerkannt wird, ist das Ziel aller Betroffenen. Gleichwohl setzt sich das Netzwerk um Zander seit jeher für eine umfassende Aufarbeitung ein: Die Strukturen in der Brüdergemeinde sollen betrachtet, die Frage nach dem Grund für das institutionelle Versagen beantwortet werden, die Höhe der Anerkennungsleistung nicht von der Täterorganisation bestimmt werden. „Puppenstuben-Aufklärung“ nennt Zander das Modell, das mit dem für Anfang 2018 anvisierten Ende das Ziel habe, das 200-Jahr-Jubiläum der Brüdergemeinde 2019 nicht zu stören. Diesen Zusammenhang verneint der Laienvorsteher.

Zanders Betroffenenforum hat sich einen Unterstützerkreis aus der Fachwelt aufgebaut, das mit deutlichen Worten in jeder Hinsicht nicht spart – wenn auch nicht immer öffentlich. Zu diesen Unterstützern gehört auch Alexander Probst. Er hatte den Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzen publik gemacht. Zander bleibt bei seiner Ablehnung des laufenden Aufarbeitungsprozesses. „Dass ich mir nicht nur Freunde mache, dessen war und bin ich mir bewusst“, sagt er. Es sei ein Kampf David gegen Goliath, ein „Kampf gegen eine mächtige evangelikale Brüdergemeinde“. Doch „wenn ich aufgeben würde, wer hätte gewonnen? Die Täterorganisation Brüdergemeinde Korntal“.