Die Betroffenen:
Detlev Zander hat als Erster im Frühjahr 2014 öffentlich von sexuellem Missbrauch, Prügelorgien und Zwangsarbeit in einem Kinderheim der evangelischen Brüdergemeinde Korntal berichtet, wo er zwischen 1963 und 1977 lebte. Daraufhin meldeten sich weitere Betroffene aus den beiden Kinderheimen im Ort; sie sind untereinander zerstritten. Wie viele Opfer es gibt, ist unklar. Ebenso unklar ist, in welchem Maße die Bürger des Ortes etwas gewusst haben müssen. Eine telefonische Meldestelle, an die sich Betroffene wenden können, ist zwar vor wenigen Wochen eingerichtet worden – allerdings unter der Leitung der Landshuter Erziehungswissenschaftlerin Mechthild Wolff. Aber sie und ihr wissenschaftliches Team haben diese Woche aufgegeben. Nachdem daraufhin auch die Brüdergemeinde eine gemeinsame Aufarbeitung in Frage gestellt hat, ist offen, wie es weitergeht.

Die Evangelische Brüdergemeinde Korntal:
Nach Korntal ziehen konnten zunächst nur Mitglieder der Brüdergemeinde. Mit der Gründung des Deutschen Reichs 1871 wurden die Korntaler Sonderrechte zum Großteil aufgehoben. Ein Vertrag regelt das Verhältnis der Kirchengemeinde zur Landeskirche. Mitglieder der Brüdergemeinde sind zugleich Mitglieder der Landeskirche. Doch wenn die Mitglieder in Korntal wohnen, zahlen sie keine Kirchensteuer, sondern einen Beitrag direkt an die Gemeinde. Eben wegen der vertraglichen Verbundenheit schaut auch die evangelische Landeskirche auf die Aufarbeitung in Korntal. Die Landeskirche zahlt Opfern in ihren Einrichtungen im Einzelfall bis zu 5000 Euro. Einen Missbrauchsbeauftragten wie die Katholische Kirche hat die Evangelische Kirche auf Bundesebene nicht.