In Nordrhein-Westfalen weitet sich die Debatte über misshandelte Asylbewerber aus. Das Land will jetzt doch mehr Personal stellen.

Düsseldorf - Als sich der erste Ansturm gelegt hat, atmet Volker Milk tief durch. Bei fast allen Fragen rings um die zum Auffanglager für Asylbewerber umfunktionierte Siegerlandkaserne, in der das Sicherheitspersonal Flüchtlinge misshandelt haben soll, steht der stellvertretende Arnsberger Regierungspräsident im Fokus. Milk koordiniert die schwierige Arbeit seiner Behörde auf diesem Feld seit mehr als 20 Jahren. „So etwas wie in diesen Tagen haben wir selten erlebt“, gibt er zu bedenken, und dann sprudelt es aus ihm heraus: Noch vor zwei Jahren musste Nordrhein-Westfalen 15 000 Asylbewerber aufnehmen, inzwischen stellt man sich darauf ein, dass es bis Ende dieses Jahres mehr als 40 000 sein werden. Musste er bis vor Kurzem zwei Einrichtungen für die Erstaufnahmen kontrollieren, ist er inzwischen für 19 Einrichtungen verantwortlich – ohne dass er mehr Personal bekommen hätte. „Wir sind froh, dass wir es schaffen, jedem ein Dach über dem Kopf anbieten zu können“, heißt das in seinen Worten.

 

Hilfe verschiedener Organisationen

Ohne die Hilfe der verschiedenen Organisationen wäre das Milk zufolge nicht möglich. Der Regierungspräsident arbeitet mit der ins Gerede gekommen Firma European Homecare (EHC) genauso zusammen wie mit dem Roten Kreuz, den Maltesern und neuerdings auch der Kolping-Gruppe. Der Vorwurf, private Organisationen arbeiteten grundsätzlich preiswerter als die vermeintlich karitativen Vereine, weist er zurück: „Die Preise variieren nach Problemlage, und Geld verdienen wollen alle.“ Aufsehen hat sein Satz erregt, im Moment stehe die Unterbringung im Vordergrund und nicht so sehr der Standard. Dass dies missverständlich war, weiß er inzwischen. Nicht zuletzt die Landespolitik ist an diesem Punkt auch hochgeschreckt. „Wir stellen mehr Personal zur Verfügung“, hat Innenminister Ralf Jäger rasch zugesagt, selbst Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat sich eingeschaltet und schärfere Kontrollen angemahnt. Alle Beteiligten weisen aber darauf hin, dass man die Behörden im größten Bundesland – und vor allem die Regierungspräsidien – seit mehr als einem Jahrzehnt personell als Folge des radikalen Sparkurses ausgedünnt hat; deren Personalstärke liegt zum Teil nur noch bei 80 Prozent der eigentlichen Soll-Stellen.

Die Folgen des harten Sparkurses

Wenn CDU-Oppositionsführer Armin Laschet angesichts dieser Fakten jetzt eine höhere Kontrolldichte einfordert, wird man ihm vorhalten, dass in der schwarz-gelben Regierungszeit die Devise „Privat vor Staat“ galt. Unabhängig davon hat das Regierungspräsidium sowohl den Anbieter EHC wie alle anderen Betreiber der insgesamt 19 Aufnahmelager noch einmal verpflichtet, strenge Regeln einzuhalten. So müssen alle beteiligten Sicherheitsunternehmen dem Verband angehören, den Mindestlohn zahlen und Führungszeugnisse für ihre Mitarbeiter vorlegen. „Wer das nicht macht, fliegt raus“, hatte der Arnsberger Regierungspräsident Gerd Bollermann schon zugesagt, als die Vorwürfe bekannt wurden.

Dass unterdessen weitere Vorfälle bekannt werden und von der Polizei geprüft werden, überrascht Experten nicht. „Es reicht eben nicht, jemanden für fünf Euro pro Stunde an die Tür zu stellen, nur weil er Muskeln hat“, sagte Oliver Malchow, der Chef der Gewerkschaft der Polizei. So werden inzwischen angebliche Übergriffe auch in Essen von der Polizei untersucht. Die Lage dort ist offensichtlich nicht mit den Gewalttätigkeiten in der Siegerlandkaserne zu vergleichen: in diesem Fall soll es Streit zwischen offenbar betrunkenen oder drogenabhängigen Asylbewerbern und dem Wachpersonal gegeben haben; man beschuldigt sich gegenseitig, die Auseinandersetzung begonnen zu haben. Die beteiligten Mitarbeiter des Staatsschutzes klopfen etwaige Aussagen von Betroffenen im Moment auch darauf ab, ob sich der eine oder andere Vorteile für sein nicht immer überzeugendes Asylbegehren zu verschaffen sucht, indem er Wachpersonal belastet.