Die Verträge prägen einseitige Risiken, verbotene Nebenabreden und schlechtes Krisenmanagement.

Stuttgart - Es gab eine Zeit, da hatte das Klinikum Stuttgart in Kuwait einen so guten Ruf, dass der Gesundheitsminister des Landes, Ali Saad Al-Obaidi, mit dem Leiter der Internationalen Abteilung (IU), Andreas Braun, im Februar 2014 einen Dreijahresvertrag über die Entsendung von Ärzten an die Orthopädische Razi-Klinik in Kuwait unterschrieb. Dafür sollten 46,2 Millionen Euro fließen (abzüglich aller Aufwendungen aber nur fünf Millionen Euro Gewinn verbleiben). Von guten Partnern kann heute keine Rede mehr sein. Neben dem Abrechnungschaos durch die Behandlung von 371 libyschen Kriegsversehrten ist der Kuwait-Vertrag hauptursächlich für das vorläufige Aus des Medizintourismus in Stuttgart.

 

Wer hat das nur genehmigen können?

Die Parteien streiten nun vor einem kuwaitischen Gericht um Millionenbeträge. Und im Klinikum sowie im Rathaus müssen sich die Verantwortlichen fragen lassen, wie sie dazu kamen, ein solch schlechtes Geschäft anzubahnen und zu genehmigen. Denn Pflichten gibt es in dem Vertrag eine Menge, vor allem aufseiten des Klinikums. Der Gesundheitsminister durfte dagegen jederzeit, mit dem Hinweis aufs öffentliche Interesse, aussteigen. Er konnte auch Geldbußen für den Fall verhängen, dass der Partner die Leistung nicht erbringt. Dazu hatte er reichlich Gelegenheit – ständig fünf Ärzte für mindestens sechs Monate nach Kuwait zu schicken, die mindestens fünf Jahre im Klinikum gearbeitet haben, erwies sich als großes Problem. Deshalb flossen nur 21 statt 46 Millionen Euro nach Stuttgart.Kritisch hinterfragt wurde im Krankenhausausschuss am Freitag auch das Krisenmanagement, das Ende 2016 in der vorzeitigen Kündigung des Vertrags gipfelte – der nur drei Monate später ausgelaufen wäre. Die Aussage der Stadt, Kuwait hätte ihn ohne Zustimmung des Klinikums verlängern können, gibt der Vertrag gar nicht her. Tatsächlich hatte Braun bereits Gespräche darüber geführt, die Behandlungen in machbarem Umfang fortzuführen.

Kontakt zum Ministerium abgebrochen

Die Abberufung ihres etablierten Vermittlers und die Installation externer Anwälte hatte zur Folge, dass von Mitte 2016 an der Zahlungsfluss versiegte und die Kommunikation von kuwaitischer Seite eingestellt wurde. Einzige Leistung der Anwälte: 2,18 Millionen Euro vom Auslandskonto nach Stuttgart zu transferieren. Um dies zu schaffen, hätte es gereicht, wenn sich Klinikchef Reinhard Schimandl einmal nach Kuwait aufgemacht hätte.

Die Anwälte der Kanzlei Ebner und Stolz hatten kurz vor Vertragsunterzeichnung im Februar 2014 Andreas Braun mitgeteilt, der Vertrag „kann unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten die unternehmerische richtige Entscheidung sein“. Bedingung sei aber, dass Vorleistungs- und Haftungsrisiken ausgeschlossen würden. Eine rechtliche Einschätzung war der Kanzlei nicht möglich. Wie auch – es sollte kuwaitisches Recht gelten, und der Vertragsentwurf war in arabischer Sprache verfasst.

Der Bürgermeister vermutete ein kostenloses Projekt

Bürgermeister Werner Wölfle sagt heute, er sei lediglich über „ein Beratungsprojekt“ ohne finanzielle Verpflichtungen informiert worden, weshalb auch der Krankenhausausschuss nicht damit befasst gewesen sei. Tatsächlich hätte allein die vereinbarte Bankbürgschaft in Höhe von 4,6 Millionen Euro der Zustimmung des Gemeinderats bedurft. Warum das unterblieb, muss Ex-Klinikumschef Ralf-Michael Schmitz der Staatsanwaltschaft erklären.Erst recht hätte das Gremium über die Nebenabrede mit der Kuwait-Aryak-Gesellschaft informiert werden müssen, denn darin geht es um 12,6 Millionen Euro, die Krankenhausbürgermeister Michael Föll (CDU) als „Bakschisch“ deklariert. Sie wurde drei Monate nach dem Hauptvertrag geschlossen. Offiziell floss das Geld für Gespräche mit Parlamentariern, intensive Kontakte mit der Presse und die Einhaltung der Zahlungsbedingungen auf kuwaitischer Seite. Honoriert wurden sogar bis 2011 zurückgehende Tätigkeiten wie Direktkontakte zu Abteilungsleitern und Staatssekretären. Insgesamt flossen dabei 7,8 Millionen Euro aus der Klinikumskasse. Um die einbehaltenen 4,8 Millionen Euro streiten nun die Parteien – wie vereinbart vor einem kuwaitischen Gericht.