Grün-Rot will im kommenden Schuljahr die ersten Lehrerinnen mit Kopftuch an baden-württembergischen Schulen unterrichten lassen. Die Opposition sieht allerdings noch ungeklärte Fragen.

Stuttgart - Die geplante Abschaffung des Kopftuchverbots sollte Grün-Rot aus Sicht der Opposition im Landtag nicht durchs Parlament peitschen. Bevor man sich einem interfraktionellen Gesetzentwurf anschließe, um das pauschale Kopftuchverbot zu kippen, wolle man die Meinung von Kirchen, Schulpraktikern, Kommunalvertretern und Wissenschaftlern einholen, kündigten die Bildungsexperten Georg Wacker (CDU) und Timm Kern (FDP) am Mittwoch in Stuttgart an. In eine Anhörung am 17. Juli gehe man „ergebnisoffen“, so Wacker. Die beiden Regierungsfraktionen hatten den Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, betonten aber ihr Interesse, die Opposition mit ins Boot zu holen.

 

Bundesverfassungsgericht hat generelles Kopftuchverbot gekippt

Das Bundesverfassungsgericht hatte im März dieses Jahres ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen in öffentlichen Schulen anhand eines Falles aus Nordrhein-Westfalen für verfassungswidrig erklärt. Ein Verbot dürfe nur im Einzelfall ausgesprochen werden, etwa wenn der Schulfrieden gestört sei. Das generelle Kopftuchverbot war 2004 mit den Stimmen von CDU, FDP und SPD ins baden-württembergische Schulgesetz aufgenommen worden.

Kultusminister Andreas Stoch (SPD) betonte, die klare Vorgaben der Karlsruher Richter ließen keine Spielräume zu. Das gelte vor allem für das von ihnen als nichtig erklärte bisherige Privileg des Christentums im Schulgesetz; dieses lässt explizit die Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen zu. Stoch: „Das bedeutet nichts anderes, als dass die Vorschrift im Schulgesetz nicht mehr beachtet werden darf.“

Stoch: Auch an Schule Religion zeigen dürfen

Menschen sollen nach seiner Überzeugung auch an Schulen ihrer Religion Ausdruck verleihen können. „Hier darf es keine Unterschiede zwischen den Religionen geben.“ Aus Sicht der Opposition ist jedoch zu bedenken, ob eine ersatzlose Streichung des christlichen Privilegs nicht der Landesverfassung widerspreche. In dieser nehme die christliche Tradition eine besondere Stellung ein.

Stoch verteidigte das rasche Handeln der Koalition. Schulen und Lehrkräfte sollten zum neuen Schuljahr Rechtssicherheit haben. Die zweite zunächst vor der Sommerpause geplante Lesung des Gesetzentwurfes ist nach Intervention der Opposition auf Oktober verlegt worden. Auch die SPD-Fraktion werde noch Gespräche führen mit Kirchen und anderen Beteiligten, kündigte deren Bildungsexperte Stefan Flust-Blei an.

Als Schwierigkeit der höchstrichterlichen Entscheidung nannte die Opposition deren Einschränkung für den Fall, der Schulfrieden sei gestört. Wacker: „Die entscheidende Frage ist, wer definiert vor Ort in der Schule, ob der Frieden durch das Tragen eines Kopftuches gestört wird.“ Die Schulen dürften mit der Klärung nicht alleingelassen werden. Der Gesetzentwurf müsse ihnen Hinweise geben.

Schmiedel: Schulfrieden gestört

Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel ist der Schulfrieden gestört, „wenn es über das Tragen des Kopftuches hinaus zu einem Werben für das Tragen des Kopftuchs kommt“. Mädchen sollten sich frei entscheiden können, ob sie den Kopf bedecken wollten. Nur die Schule selbst oder die zuständige Aufsichtsbehörde könne feststellen, ob eine Lehrkraft diese Grenze überschreite. Einen Kriterienkatalog für die Störung des Schulfriedens könne es nicht geben. Der Liberale Kern meinte: „Das wird Schulleiter vor große Probleme Stellen.“

Stoch betonte, die Rückmeldungen aus den Schulen ließen den Schluss zu, dass Referendarinnen mit Kopftuch den Schulfrieden nicht störten. Die Kopfbedeckungen sei nur anfangs Thema; in aller Regel werde das Tuch rasch als Teil der Persönlichkeit der Pädagogin oder gar nicht mehr wahrgenommen. Anders als Lehrerinnen dürfen Referendarinnen ein Kopftuch tragen, da sie keine Alternative zur Ausbildung an einer staatlichen Schule haben. Nach ihrem Referendariat hingegen können sie auch an einer Privatschule unterrichten.