Das Landgericht Stuttgart hat einen 22-Jährigen zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Der Mann hatte einen Kumpel in einem Heim für Straffällige im Stuttgarter Osten erstochen.

Stuttgart - Bis zum Ende der mündlichen Urteilsbegründung bleibt es ruhig im Saal 5 des Landgerichts. Als der Angeklagte dann abgeführt werden soll, entlädt sich die Wut der Freunde und Angehörigen des Opfers. Der Angeklagte wird mit Vokabeln wie „Bastard“ und „Hurensohn“ eingedeckt und wüst bedroht. Vor dem Saal schlägt ein Mann mit der Faust ein Loch in eine Drahtgitterscheibe. Er dürfte sich dabei erheblich an der Hand verletzt haben.

 

Zuvor hat die 9. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Jörg Geiger den 22-jährigen Angeklagten des Totschlags an seinem 26-jährigen Kumpel für schuldig befunden. Die beiden Männer hatten seit einigen Wochen in einem Heim für Straffällige im Stuttgarter Osten gelebt. Beide Männer waren elternlos aufgewachsen, jung straffällig geworden, beide sprachen Alkohol und Drogen im Übermaß zu – und beide wurden dann sehr aggressiv. Nüchtern hätten sie durchaus Sympathien füreinander gehabt, so Richter Geiger. Wenn sie benebelt gewesen seien, habe es aber regelmäßig Streit gegeben. „Sie schlugen sich und sie vertrugen sich“, fasst Geiger zusammen.

Der mann sagte, es würde etwas Schlimmes passieren

So war es auch in der Nacht auf den 31. Mai dieses Jahres. Die zwei Männer waren in der Innenstadt zum Zechen unterwegs. Schon dort legten sich die Burschen mit Türstehern und der Polizei an. Sie bekamen einen Platzverweis, die Männer gingen zurück ins Wohnheim an der Wagenburgstraße, wo sie sofort einen anderen Mitbewohner piesackten. Dann soll der Angeklagte gesagt haben, heute werde noch etwas Schlimmes passieren, Menschen würden sterben. Es folgte ein alkohol- und drogenbefeuerter Streit um Religion und Gott und die Welt. Als die Männer in ihre Zimmer gingen, schien sich alles zu beruhigen.

Doch der 22-Jährige hörte offenbar nicht auf, herumzuschreien, während der 26-Jährige mit seiner Freundin am Telefon sprach. Der Ältere ging zum Zimmer des Jüngeren, um ihn zur Ordnung zu rufen. Dazu kam es aber nicht. Denn der Angeklagte rammte seinem Kumpel ein Jagdmesser in Hals, Nacken, Brust und Rücken. Die neun Stiche waren so wuchtig, dass die Klinge schließlich abbrach und im Körper des Opfers stecken blieb.

Der Messerstecher muss sich seines Tuns bewusst geworden sein. Denn er habe dann versucht zu retten, was nicht mehr zu retten war, so Richter Geiger. Er setzte einen Notruf ab, in dem er allerdings nicht vergaß zu sagen, er habe in Notwehr gehandelt. Der 26-Jährige starb an seinen schweren Verletzungen mehrere Stunden später in einer Klinik. „Eine Notwehrlage hat es nicht gebeben“, so der Vorsitzende Richter.

Klinge des Messer brach ab

Der 22-Jährige hatte ausgesagt, sein Kumpel habe ihn angegriffen und ihn zu Boden geschlagen. Wie er selbst an das Messer und und wie es zu den tödlichen Stichen gekommen sei, wisse er nicht mehr. „Diese Einlassung ist unglaubhaft“, sagt Geiger. Schon beim Notruf habe er gesagt, die Klinge sei abgebrochen. Und ein Mitbewohner habe berichtet, der Angeklagte habe keine Ruhe gegeben.

Nach der Attacke hatte sich das Opfer noch ins Zimmer geschleppt und seiner Freundin, mit der der Mann eine kleine Tochter hat, am Telefon gesagt, er sei abgestochen worden.

Dem Täter billigten die Richter aufgrund des Alkohol- und und Drogenkonsums vor der Tat eine verminderte Steuerungsfähigkeit zu. Auch deshalb blieben sie unter dem Antrag des Staatsanwalts, der zehn Jahre gefordert hatte.