Die Mitgliederversammlung hat den Vorstand und den Aufsichtsrat des VfB Stuttgart für das Geschäftsjahr 2014 nicht entlastet. Deshalb könnte es zu Rücktritten in der Vereinsführung kommen.

Stuttgart - Als die Porsche Arena schon fast leer ist, steht Bernd Wahler dort noch immer mit dem Rücken zur Wand. Wenigstens ist es eine rote Wand, was dann passt, weil die Vereinsfarben des VfB Stuttgart ja weiß und rot sind. Außerdem geht es auch um die Befindlichkeiten bei den Roten, über die der Präsident nach der Mitgliederversammlung am Sonntag spricht. Dabei muss sich Wahler verteidigen und rechtfertigen, nachdem gerade dem Vorstand und dem Aufsichtsrat die Entlastung verweigert worden ist – ein einmaliger Vorgang in der 122-jährigen VfB-Geschichte.

 

Das Misstrauensvotum der Anhänger bezieht sich zwar auf das Geschäftsjahr 2014. Seitdem wurde der Vorstand nahezu komplett ausgetauscht. Statt Fredi Bobic und Ulrich Ruf gehören jetzt Robin Dutt, Stefan Heim und Jochen Röttgermann zu diesem Kreis. Von dem Team ist nur Wahler übrig geblieben. Also trifft es ihn ganz besonders hart, dass viele Fans auf Distanz gegangen sind und die Gefolgschaft verweigern. „Das ist ein gewaltiger Denkzettel für uns – und das nehme ich sehr ernst“, sagt er.

Wie auf der Anklagebank ist er sich zuvor bisweilen vorgekommen, mit einem am Ende vernichtenden Urteil über die gesamte Clubspitze. So stimmten 71,3 Prozent der Mitglieder gegen den Aufsichtsrat um den Chef Joachim Schmidt, der bei einem Einzelvotum vermutlich ein noch größeres Debakel erlebt hätte. Denn er gilt bei vielen als Relikt aus einer vergangenen Ära und als Inbegriff, wie sie sich den VfB nicht mehr vorstellen.

Der Aufsichtsrat ist bestürzt über das Votum

Eduardo Garcia ist der Stellvertreter von Schmidt und auch schon lange im Amt. Angesichts der 71,3-prozentigen Ablehnung ist er noch einen Tag später fassungslos. Das nimmt er persönlich. Schließlich war er mit seiner Firma Gazi von 2010 bis 2012 sogar der VfB-Hauptsponsor und zahlte aus seiner Privatschatulle sechs Millionen Euro pro Jahr. Und jetzt? Garcia spricht von „einem katastrophalen Verlauf“ der Versammlung und davon, „dass das für mich sehr bitter ist.“ Zum dritten Mal nacheinander wurde der Aufsichtsrat nicht entlastet. Wie es bei Garcia weitergeht, ist deshalb ungewiss – Abgang beim VfB nicht ausgeschlossen.

Solche Gedanken machen sich auch seine Kollegen Hartmut Jenner, Martin Schäfer und Wilfried Porth, die erst im Sommer 2014 in den Aufsichtsrat gewählt wurden – in ihren Augen eine viel zu kurze Zeit, um ihre Arbeit bewerten zu können. Doch der Bannstrahl hat auch sie getroffen. Entsprechend zeigen sie sich ebenfalls bestürzt über das Resultat mit der erdrückenden Mehrheit, die sich gegen sie positioniert hat. Noch am gleichen Abend haben sie sich über mögliche Folgen unterhalten. Mit einer wie auch immer gearteten Reaktion ist eventuell schon in diesen Tagen zu rechnen.

Fest steht dagegen bereits, dass Schmidt nicht zurücktreten wird. Aus VfB-Kreisen ist zu hören, dass die Kritik weitgehend an ihm abgeprallt ist – Nehmerqualitäten eines alten Daimler-Managers. „Er ist ein Kämpfer“, sagt Wahler, der auch bleiben und kämpfen will, obwohl er weiß, „dass wir momentan nur wenig Rückhalt an der Basis haben.“

Absagen von Allgöwer und Hitzlsperger

Weil das kein ganz neues Phänomen ist, hat der VfB zuletzt versucht, ein paar Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um die Stimmung zu drehen. So sollten beispielsweise die früheren Profis Karl Allgöwer und Thomas Hitzlsperger in den Aufsichtsrat eingebunden werden. Beide sind bei den Fans sehr populär. Aber sie lehnten ab – Hitzlsperger, weil er beruflich ausgelastet ist, und Allgöwer, weil er seiner Meinung nach in dieser Position zu wenig Einfluss auf die sportlichen Belange hätte. So beschränkt sich die Fußballkompetenz im Aufsichtsrat auf den ehemaligen Mannschaftskapitän Hermann Ohlicher, der als Vorsitzender des Ehrenrats ab sofort zu den Sitzungen hinzugezogen wird.

Er sitzt also auch mit am Tisch, wenn Wahler mit der Vereinsführung demnächst berät, „was wir aus dieser Mitgliederversammlung ableiten und was jetzt zu tun ist“, sagt der Präsident. Denn alles passiert vor dem Hintergrund der beim VfB für 2016 geplanten Ausgliederung der Profiabteilung, die aktuell kaum durchsetzbar ist. Daran könnte wohl nur sportlicher Erfolg etwas ändern, denn ein Tabellenletzter hat keine Argumente. Welche Konsequenzen die Vereinsführung zieht, wenn die Ausgliederung dann abgelehnt wird, ist ungewiss. „Ich werde alles geben, damit wir nach vorne kommen“, sagt Wahler. Er steht mit dem Rücken zur roten Wand.