Viele Gastronomen streichen günstige Angebote aus Kostengründen und schließen erst am Abend auf. Laut Dehoga reduzieren 60 Prozent der Betriebe im Land ihre Öffnungszeiten.

Stuttgart - Zuerst ein Süppchen und dann ein Wiener Tafelspitz mit Wurzelgemüse, Bouillonkartoffeln und Meerrettichsauce, und das Ganze für 8,70 Euro. Nur am Freitag, mit Fisch, wird es teurer. Dann steigt der Preis auf 9,70 Euro. Im Grand Café Planie ist jeder Tisch besetzt, das Angebot eines kompletten Mittagessens findet viele Stammgäste, die moderaten Preise erlauben den kleinen Luxus. Ist doch stilvoller, als den Hunger mit Fast Food zu stillen. Aber geht die Rechnung bei dieser Preisgestaltung für den Wirt auf oder zahlt er drauf? Im Brenner im Bohnenviertel, dank guter Qualität zu sehr freundlichen Preisen viele Jahre ein In-Treff zur Mittagszeit, ist die Antwort offenbar unbefriedigend ausgefallen. Die Betreiber haben sich kürzlich verabschiedet.

 

„Das ist nicht verwunderlich“, sagt dazu Johannes Remo Heine, mit seinem Partner Nico Petridis Betreiber des Grand Café Planie und der Academie der schönsten Künste in der Charlottenstraße, wo der Mittagstisch noch günstiger angeboten wird. „Für den Preis, den die Stuttgarter Bevölkerung erwartet, kann man eigentlich gar nicht kochen“, macht Remo Heine seiner Verärgerung Luft. Dass 60 Prozent der Gäste, wie der Gastronomieberater Klaus Schöning berichtet, heute zum Essen kein Getränk mehr bestellen – ein wichtiger Faktor bei der Kalkulation – bezweifelt er zwar. Heine erzählt aber, dass er auch schon gegen mitgebrachte Wasserflaschen einschreiten musste. Und wenn er Kollegen treffe, erlebe er den gleichen Frust. Denn der Wettbewerb werde immer größer. Durch mehr Kantinen und Gemeinschaftsverpflegungen, die Verbreitung von Lieferservices – „der Chinese bietet ein vollwertiges Mittagessen für 7 Euro“ – den Imbiss in Bäckereien und Metzgereien und schließlich die gewaltige Zunahme von Lokalen insgesamt.

Der Kosten- und Konkurrenzdruck steigt

„In Stuttgart sind in den letzten drei Jahren 10 000 Gastronomieplätze dazugekommen“, bestätigt Klaus Schöning. Dazu steige der Kostendruck. Zumindest kann Heine, der seine Personalkosten mit 40 Prozent beziffert, die Vorgaben durch Arbeitszeit- und Mindestlohngesetz problemlos umsetzen: „Wir öffnen zum Frühstück um 7 Uhr und haben rollierende Schichten, bei denen wir die Gästefrequenz berücksichtigen können.“

„Kleine und mittlere Betriebe haben diese Möglichkeit nicht und daher ein Problem“, weiß Klaus Schöning. Die Konsequenz: Selbstausbeutung in einem Familienbetrieb oder Reduzierung des Angebots, wozu sich laut einer Umfrage der Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) unter mehr als 1470 Mitgliedern im Land bereits mehr als 60 Prozent entschlossen haben: entweder mit einem weiteren Ruhetag oder verschlossenen Türen zur Mittagszeit. Das zweite Problem: eine massive Personalnot. „Vor allem Köche werden händeringend gesucht und können Löhne weit über Tarif verlangen“, weiß Schöning. Er vermittelt in Kooperation mit dem Kolpingwerk junge Köche aus Spanien nach Deutschland.

Auch Gourmetrestaurants ändern ihr Angebot

In einem Gourmetrestaurant redet man nicht vom Mittagstisch, sondern vom Lunch, nach New Yorker Maßstäben der wahre Luxus für Damen, die über genügend Zeit und Geld verfügen, während die Herren beim Business-Lunch Geschäfte machen. Eine der bevorzugten Adressen dieser Klientel, die Zirbelstube im Hotel am Schlossgarten, bleibt jedoch inzwischen mittags geschlossen. „Die Umsatzzahlen haben sich wohl im Vergleich zum Aufwand nicht gerechnet“, kann dazu Küchenchef Denis Feix nur sagen, der die Regelung bereits so vorgefunden hat. Haben sich die Gäste nicht beklagt? Nein, sagt Feix. „Vielleicht hat sich das Konsumverhalten der Gäste geändert und sie machen sich lieber einen schönen Abend mit Frau oder Familie beim erlesenen Diner. Darauf konzentrieren wir uns.“

Den Business-Lunch mit drei Gängen für 45 Euro hat das Sternelokal Top Air am Flughafen, obwohl von Mittwoch bis Freitag mittags nach wie vor geöffnet, im Sommer gestrichen. „Ich will nicht für die Tonne arbeiten“, sagt Küchenchef Marco Akuzun und erklärt sich die Zurückhaltung der Gäste auch mit der restriktiven Haltung der Firmen und Finanzämter bei Spesenabrechnungen. „Vielen Gästen“, so Akuzun, „genügt ein Hauptgericht, das unkompliziert ist und zügig auf den Tisch kommt.“

Genau darauf setzt Michael Zeyer im 5 mit Restaurant, Bar und Lounge mitten in der City: einen Lunch vom Sternekoch Claudio Urru (ehemals Top Air) mit häufig wechselnden Gerichten unter 10 Euro. Er wolle damit ein Stück Lebensart möglich machen, wie sie in Italien, Frankreich oder Spanien üblich sei, sagt Zeyer. Geht die Rechnung auf? Eine gewisse Drehzahl sei schon nötig, aber mittlerweile wüsste eine ganz gemischte Klientel aus Jung und Alt, aus Geschäftsleuten ebenso wie einfachen Angestellten dieses Angebot sehr zu schätzen.

Das Gastronomenpaar Marco Gast und Sabrina Brenner, das bis vor Kurzem das Fresko geführt hat und das Brenner übernehmen wird, will, wie man hört, den günstigen Mittagstisch erst im Sommer wieder einführen. Vermutlich, weil dann die zusätzlichen Plätze im Freien auch einen höheren Umsatz garantieren.