Ein neuer Mobilfunkstandard namens G5 steht vor der Tür. Er ist auch für das fahrerlose Fahren essenziell. Auf dem Mobile World Congress in Barcelona erhalten Besucher einen Vorgeschmack.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Barcelona - Stau oder kein Stau? Darüber könnte bald die Qualität der Mobilfunkverbindungen entscheiden – wie das der Netzwerkausrüster Nokia an seinem Stand auf dem Mobile World Congress (MWC) in Barcelona vorführt. Fünf blaue und silberne Modellautos lässt das finnische Unternehmen über eine kleine Rennbahn huschen, das mit der Übernahme von Alcatel-Lucent auch dessen Forschungsstandort Stuttgart geerbt hat. Dort wird intensiv am neuesten Mobilfunkstandard der fünften Generation gearbeitet, kurz 5G genannt.

 

Die kleinen Autos senden sich untereinander Signale zu, erst mit der bisherigen, dann der künftigen Technologie. Anstatt Stopp und Stillstand zu produzieren, rasen sie auf einmal über die Rennbahn-Acht, ohne sich am Kreuzungspunkt der beiden Schleifen auch nur im Mindesten zu behindern. 5G wird die wichtigste technologische Innovation im mobilen Internet in den kommenden Jahren werden. Doch die Nutzer werden kaum etwas davon bemerken, was da hinter den Kulissen stattfindet. „Den Endnutzern ist es vollkommen egal, warum ihre Datenübertragung reibungslos funktioniert“, sagt Tod Sizer, 5G-Forschungsexperte von Nokia. „Für jüngere Nutzer ist das aber wie der Sauerstoff zum Atmen – sie wollen immer und überall online sein und alle Funktionen nutzen.“

Finnland testet das Netz der Zukunft

Im März dieses Jahres wird der neue 5G-Standard auf die Zielgerade gehen. Dann treffen sich alle Interessenten zu den entscheidenden Verhandlungen, bei denen die technischen Parameter festgelegt werden. Finnland hat auf dem MWC angekündigt, mit den führenden globalen Netzwerkausrüstern Ericsson, Huawei und Nokia ein erstes Testnetzwerk aufzubauen. Von 2018 könnte es dann losgehen, zuerst bei prestigeträchtigen Ereignissen wie den olympischen Spielen in Korea. Ziel ist es, den Nutzern nicht nur mehr Bandbreite und bessere Ladegeschwindigkeiten zur Verfügung zu stellen. Es geht um eine völlig neue, höchst flexible Weise wie zu jedem Augenblick und an jede Anwendung angepasst die notwendigen Übertragungsressourcen zur Verfügung gestellt werden.

Ein Paradebeispiel ist das vernetzte Auto. „Sie haben da Wartungssysteme für den Motor oder die Reifen – da reicht es wenn einmal in der Minute ein Signal gesandt wird“, sagt Sizer. „Doch dazu haben sie im Auto das Unterhaltungssystem für die Kinder auf dem Rücksitz, das Videos in hoher Qualität und Bandbreite abspielt. Und gleichzeitig kommuniziert mobil das System fürs autonome Fahren, bei dem es um Millisekunden Reaktionszeit geht.“

Gefragt ist Tempo

Nicht nur Kapazität ist deshalb gefragt, sondern auch Tempo – und im Zeitalter von immer mehr vernetzten Geräten auch die Möglichkeit, zahllose Signale gleichzeitig und schnell verarbeiten zu können. Sizer spricht hier von zahllosen kleinen „Daten-Salven“. Eine einzige Mobilfunk-Empfangsstation soll deshalb theoretisch bis zu 1,2 Millionen Signale gleichzeitig empfangen und verarbeiten können. Bis zu 100 Mobilgeräte je Quadratmeter sind rechnerisch möglich – Massen-Events mit schlechtem Empfang sollen so der Vergangenheit angehören.

Bisherige Mobilfunksysteme können die unterschiedlichen Signale nicht auseinanderfischen. Doch mit der innovativen Technologie kann die Sende- und Empfangskapazität für jeden Einzelfall aufgeteilt werden. Es ist sogar möglich, dass das Mobilgerät zum Senden etwa den Wifi-Kanal benutzt, während es zum Empfang den Mobilfunkmasten nützt. Das Wechselspiel zwischen den unterschiedlichen mobilen Übertragungswegen soll für den Nutzer unmerklich stattfinden. Wer beispielsweise mitten in einer Datenübertragung zu Hause aus der Tür geht, soll ohne irgendetwas tun zu müssen, zwischen seinem privaten Drahtlosnetzwerk und dem Mobilnetz der Telefongesellschaft wechseln.

Europa könnte bei der neuen Technologie der Taktgeber werden, weil hier die Betreiber im Gegensatz zu den USA, wo ein Antikartell-Gesetz entgegensteht, bei solchen Entwicklungen eng kooperieren. In Barcelona hat deshalb die EU ein Treffen mit Telekommunikationsfirmen und Infrastrukturausrüstern organisiert, um Europa beim Ausbau der Infrastruktur in einer Partnerschaft zwischen Privatsektor und öffentlicher Hand wieder die Führungsrolle zu geben, die man auch bei der Etablierung des bisherigen Mobilfunkstandards hatte. „Das 5G Netzwerk in Europa bis zum Jahr 2020 Wirklichkeit werden zu lassen, wird entscheidend für den Erfolg von Wirtschaftszweigen wie der Automobilindustrie, der Gesundheitsbranche und der digitalisierten Produktionsbetriebe sein“, sagte der EU-Digitalkommissar Günther Oettinger in Barcelona.