Die Märkte in den Industriestaaten sind allmählich gesättigt. Nun schielt die Branche auf die noch unerschlossene Milliarde potenzieller Kunden in den ärmeren Regionen des Globus – und die schauen vor allem auf das Geld.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Barcelona - Ohne bombastische Showeinlage geht es im Smartphone-Geschäft anscheinend immer noch nicht. Für den koreanischen Weltmarktführer Samsung ist das dicht mit Besuchern und Ausstellern voll gepackte Messegelände des Mobile World Congress in Barcelona nicht groß und exklusiv genug gewesen, um sein neues Flaggschiff, das Galaxy S5, erstmals der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Als sei es ein Rockkonzert, mussten sich Tausende von geladenen Gästen und Journalisten vor den verschlossenen Türen des Kongresszentrums der katalanischen Hauptstadt am Placa de Willy Brandt erst einmal ein paar Stunden die Beine in den Bauch stehen, bevor sich zu den Klängen des Orchesters der Oper von Barcelona die Türen öffneten.

 

Was sie dann zu sehen bekamen, war dann etwas weniger atemberaubend. Samsung präsentierte Hüllen in mehreren Farben und angeblich einem besonders griffigen, mit winzigen Löchern versehenen Design. Die Kamera ist schneller geworden und schafft automatische Schnappschüsse binnen 0,3 Sekunden. Ein eingebautes Pulsmessgerät und eine Notsparfunktion für die Batterie kommen hinzu, die angeblich auch bei zehn Prozent verbliebenen Batterieinhalts das Telefon weitere 24 Stunden empfangsbereit hält. Den meisten Beifall aus dem Saal gab es, als Samsung vor der Kulisse eines Videos mit einem völlig durchnässten Radler versprach, dass das neue Gerät, wenn nicht völlig wasserdicht, so doch wasserfest sei. „Unsere Kunden wollen keine Staunen erregende Technologie oder die komplexeste technische Lösung“, sagte JK Shin, der Chef der Samsung Mobilgerätesparte.

Die Wachstumsraten sind immer noch eindrucksvoll

Die zwar groß inszenierte, aber sich letztlich auf technischen Feinschliff beschränkende Präsentation ist ein treffendes Symbol für den Smartphone-Markt im Jahr 2014. Die Zeit der großen technischen Sprünge scheint vorbei. Die Wachstumsraten sind immer noch eindrucksvoll. Doch wer allein auf die nackten Zahlen blickt, der übersieht den grundlegenden Wandel des globalen Markts. 38,4  Prozent mehr Smartphones als im Vorjahr wurden laut Marktforschungsinstitut IDC im Jahr 2013 verkauft. Erstmals knackten die Verkäufe weltweit die Milliardenmarke. Wenn man aber die konventionellen Handys hinzuzählt, stiegen die Verkäufe nur um 4,8 Prozent. Das Wachstum speist sich also vor allem daraus, dass Handybesitzer ihre alten Geräte gegen leistungsfähigere Smartphones tauschen. Die mobile Revolution hat den ganzen Planeten erreicht – nun schließen Regionen mit weniger zahlungskräftigen Kunden auch technologisch auf.

In Barcelona versucht die Branche ihre Geräte immer noch wie in der Zeit zu inszenieren, in der die elektronischen Alleskönner zum Kultobjekt und Statussymbol zugleich wurden. Doch das Wachstum der Zukunft findet auf Märkten statt, wo die Konsumenten mehr auf das Geld schauen als auf die neuesten technischen Features. „Die Preise sind stark gepurzelt, vor allem angetrieben von preisgünstigen Android-Lösungen“, sagt IDC-Experte Ryan Reith: „Das hat China zum am schnellsten wachsenden Smartphone-Markt der Welt gemacht.“

Funktionalität ist wichtiger als technologische Sensation

Längst diktieren diese Märkte auch die Neuentwicklungen. Die globalen Trendsetter der kommenden Jahre werden Geräte sein, die sich an die bisher von den Smartphone-Herstellern noch nicht erschlossene Milliarde Menschen richten, die wegen der hohen Preise von den Hightechgeräten nicht einmal träumen konnten. Funktionalität ist hier wichtiger als die neueste technologische Sensation. Bei angestrebten Preisen von höchstens um die hundert Euro können die Hersteller nicht mit den Megapixeln der Kamera oder der Bildschirmauflösung protzen.

Dass auch der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg in Barcelona davon sprach, das Internet bezahlbarer zu machen, um es für weitere Hunderte von Millionen in Reichweite zu rücken, passt ins Bild. Nokia präsentierte in Barcelona internetfähige Sparhandys zu Preisen von 29 und 45 Euro. Der chinesische Hersteller ZTE präsentierte ein zusammen mit der Mozilla-Stiftung entwickeltes, preisgünstiges Smartphone mit einem Betriebssystem auf Basis des Webbrowsers Firefox.

Der Markt wird enger

Was die grundsätzlichen technischen Eigenschaften angeht, muss man allerdings auch auf den fortgeschrittenen westlichen Märkten genau hinschauen, um noch fundamentale Unterschiede zwischen den einzelnen Marken zu erkennen. Alle Hersteller haben heute Flaggschiffe mit hervorragenden Kameras im Programm, die Geräte sind zuverlässig und – nach Apples einst unerreichtem Vorbild – relativ leicht und übersichtlich zu bedienen. Der Markt wird enger. Und so kämpfen die Hersteller um jedes Alleinstellungsmerkmal. Der koreanische Hersteller LG versucht es beispielsweise mit gekrümmten Displays. Doch das Leben für die bisher dominierenden Markenhersteller wird schwieriger, wie etwa die jüngst im Vergleich zur Konkurrenz abflachenden Wachstumsraten beim Weltmarktführer Samsung zeigen.

Die chinesischen Hersteller, die bisher vor allem auf ihrem Heimatmarkt präsent sind, haben Europa und die USA im Visier. Mit dem Kauf der US-Marke Motorola von Google hat jüngst der hierzulande eher dank seiner Laptops bekannte chinesische Hersteller Lenovo Schlagzeilen gemacht. „In den kommenden Jahren werden wir auch unsere Smartphones nach Europa bringen“, sagte ein Sprecher. Ob unter der Marke Lenovo oder Motorola, ist noch offen.

Die Chinesen wollen technisch gut, aber billiger sein

Das Billigsegment, mit dem etwa der finnische Hersteller Nokia um Marktanteile in ärmeren Regionen des Globus kämpft, will man in den Industrieländern nicht bedienen. Lenovo vertreibt in China und auf asiatischen und arabischen Märkten Smartphones der Preisklasse 300 bis 500 Euro. „Was uns in Europa bei Smartphones noch fehlt, ist das Markenimage“, sagt der Lenovo-Sprecher. Eine ähnliche Strategie fährt der Hersteller ZTE. Er präsentierte ein ultradünnes, nur 7,2 Millimeter dickes Telefon namens Grand Memo II, das technologische Kompetenz unterstreichen soll. Technisch so gut wie die etablierte Konkurrenz sein, beim Preis aber darunter liegen – das ist Ziel der Chinesen.

Das meiste Geld zu verdienen ist in Zukunft dann eher mit Software und Inhalten für das mobile Internet. Noch wehrt sich Samsung gegen diese Erkenntnis. Man könne nicht sagen, dass man in diesem Bereich innovativer sein könne als bei der Hardware, sagt Samsungs Verantwortlicher für Innovationen David Eun: „Ich stimme aber damit überein, dass es für Innovationen bei der Software eben ganz außerordentlich viele Möglichkeiten gibt.“