In Zeiten des Wahlkampfs nehmen die Grünen die Empfehlung zum Verzicht aufs Heilix Verbrennungsblechle nicht so genau – und touren mit dem Dieselbus. Die Stuttgarter Bürgermeister hingegen setzen auf Rad und ÖPNV.

Stuttgart - Eigentlich sind die Schilder und Aufrufe nur schwer zu übersehen oder zu überhören gewesen: Feinstaubalarm in Stuttgart! Von Freitag bis vergangenen Sonntag waren die Autofahrer aufgefordert, nach umweltfreundlicheren Mobilitätsalternativen zu suchen – „zum Schutz der Stuttgarter Luft und zum Schutz der eigenen Gesundheit“, wie OB Fritz Kuhn (Grüne) riet. Doch während er selbst zu Fuß oder mit dem Elektro-Smart unterwegs war, wie eine Sprecherin versicherte, tourten seine Parteifreunde unverdrossen mit ihren Wahlkampfbussen durch die baden-württembergische Hauptstadt.

 

Geht nicht? Geht doch. Konkret gesichtet wurde am Freitag im Stuttgarter Osten ein Mercedes V-Klasse mit Dieselantrieb. Der Fahrer sei mit dem Wahlkampfbus nur zum Tanken gefahren, erklärte Matthias Gauger vom Landesverband der Grünen auf Nachfrage. „Das war organisatorisch notwendig.“ Und er versicherte: „Herr Kretschmann war nicht im Auto.“ Den habe der Fahrer am Samstag zu einer Veranstaltung nach Aalen fahren müssen, und das Busle parke nun mal in Stuttgart. Die Termine seien so eng getaktet, dass sich die Touren anders nicht durchführen ließen, so Gauger. „Man kann eine Tour mit 5000 Kilometern im Monat nicht mit Elektroauto fahren“, sagte er.

„Symbolisch kein so gutes Zeichen“

Und Kretschmanns Dienst-Hybrid biete zu wenig Plätze für die Entourage. Dafür sei man aber mit der allerneuesten Dieseltechnologie unterwegs: Blue tec. „Wenn alle Menschen solche Autos fahren würden, wäre die Situation beim Feinstaub nicht so problematisch“, meinte Gauger. Er räumte aber ein, symbolisch sei das kein so gutes Zeichen, wenn die Grünen trotz Feinstaubalarm mit dem Auto unterwegs seien.

Auch Julia Link, Sprecherin der Grünen Jugend Baden-Württemberg, gab sich zerknirscht. „Ja“, räumte sie ein, „wir waren auch mit unserem Bus in der Stadt – unser Auto war aber voll besetzt.“ Schließlich habe man am Sonntag Menschen und Material zur Gegendemo von „Bildung für alle“ an den Schlossplatz transportieren müssen. Die Tische für die Infostände seien sperrig gewesen. „Sonst fahren wir fast immer Zug“, versichert sie. „Aber wir gleichen alle Kilometer, die wir fahren, auch wieder aus.“ Wie das genau funktioniere, wisse sie allerdings nicht.

Stuttgarts Bürgermeister steigen auf Rad oder ÖPNV um

Kuhns Bürgermeisterkollegen ließen sich beim Feinstaubalarm jedenfalls nicht lumpen: Werner Wölfle und Peter Pätzold (beide Grüne) absolvierten ihre Termine mit dem Fahrrad, und auch ihre Kollegen aus den anderen Fraktionen hätten auf ihre Dienstwagen verzichtet und den ÖPNV genutzt – ganz gleich, welcher Fraktion sie angehören.

Am Sonntag ist die Feinstaubbelastung nach vier Tagen erstmals wieder unter den Grenzwert gesunken: Die vorläufige Messung durch die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz ergab am Neckartor einen Wert von 44 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter. In den Tagen zuvor hatte die Belastung Werte von 54, 57 und 53 Mikrogramm erreicht. Seit Montag ist der Feinstaubalarm vorbei. Vorerst.