In der Region Stuttgart stehen Elektroautos nicht im Schaufenster, sondern im Hinterzimmer. In der Landeshauptstadt und den umliegenden Landkreisen waren Ende 2015 mehr als zwei Millionen Fahrzeuge zugelassen.

Stuttgart - Angela Merkel steht stark unter Strom. Um den schleppenden Absatz von Elektroautos anzukurbeln, hat sich die Bundeskanzlerin mit den Managern der deutschen Automobilindustrie getroffen. Eine Kaufprämie von 5000 Euro pro Fahrzeug soll die Wende bringen. Denn bis jetzt sind bundesweit erst 19 000 E-Autos zugelassen worden. Deshalb kann sich kaum jemand vorstellen, wie das für 2020 von der Politik vollmundig verkündete Ziel von einer Million Fahrzeugen mit E-Antrieb erreicht werden soll.

 

Auch die Region Stuttgart, die zu den Ballungsräumen mit hoher Fahrzeugdichte gehört, gilt beim elektrischen Antrieb als untermotorisiert. Statt im Schaufenster steht die Elektromobilität im Hinterzimmer. In der Landeshauptstadt und den umliegenden Landkreisen waren Ende 2015 mehr als zwei Millionen Fahrzeuge zugelassen . Davon bezogen allerdings lediglich 2271 – inklusive Elektro-Roller – ihren „Treibstoff“ aus modernen Lithium-Ionen-Akkus.

„Es gibt bei uns keine spürbaren Neuanmeldungen bei reinen E-Fahrzeugen“, stellt Matthias Franke, der Leiter der Stuttgarter Zulassungsstelle, denn auch unmissverständlich fest. Ende 2015 habe die Statistik 793 Fahrzeuge ausgewiesen. Mindestens 80 Prozent davon seien von Firmen und von Behörden angemeldet worden. Eine stetige Entwicklung gebe es nur bei den Hybrid-Wagen, deren Zahl sich in den vergangenen zehn Monaten von 175 auf 395 erhöht habe.

Viele Stromtankstellen in Stuttgart

Bis März 2015 standen in der Landeshauptstadt noch 1234 „Stromer“ in der Statistik. „Die Daimler-Tochter Car2go hat ihre Flotte von gut 400 Mietfahrzeugen inzwischen verwaltungsmäßig nach Berlin verlagert“, erklärt Franke den plötzlichen Schwund. Diese Fahrzeuge seien aber nach wie vor in Stuttgart, Esslingen und Böblingen unterwegs.

„Tankstellen“ für die Elektroflotte gibt es in der Landeshauptstadt mehr als anderswo: Mit 384 Ladestationen steht die Stadt laut dem Verbands für Energie- und Wasserwirtschaft Baden-Württemberg bundesweit an der Spitze. Allerdings werden die „Zapfsäulen“ oft von Fahrern konventioneller Wagen zugeparkt.

Ob die Elektroflotte in der Region durch finanzielle Anreize vergrößert werden kann, ist innerhalb der Bundesregierung umstritten. Die KfZ-Innung der Region lehnt Zuschüsse aus dem Steuersäckel entschieden ab. „Die Autohändler haben nichts von einer Prämie und die Konzerne haben sie nicht nötig“, sagt der Obermeister Torsten Treiber. „Um die Zahlen zu steigern, müssen die Hersteller marktfähige Elektrofahrzeuge zu marktfähigen Preisen liefern“, ergänzt Geschäftsführer Christian Reher. Das Problem des Elektroantriebs sei immer noch die begrenzte Reichweite. „An der ändern auch 5000 Euro Prämie nichts“, betont Reher. Das E-Auto bleibe dennoch ein Nischenprodukt. Die Zulassungszahlen sprächen eine klare Sprache. „Von den 35 000 Elektroautos, die nach den Prognosen der Bundesregierung bereits in der Region fahren müssten, sind wir noch meilenweit entfernt“, erklärt Treiber. Helfen könne aber eine 50-prozentige Sonderabschreibung für gewerbliche Fahrzeuge.

Boom bei den Pedelecs

Nicolai Klemm, Mitarbeiter in der Stuttgarter BMW-Niederlassung, verkauft Elektroautos. Eine Prämie könne durchaus mehr Autofahrer zu Kauf bewegen, meint er. Eine typische Zielgruppe hat er unter den Interessenten und Käufern nicht ausgemacht. „Zu uns kommen junge Leute unter 30 Jahren, aber auch Senioren über 70.“ Auch Geschäftsführer großer Firmen seien unter der Kundschaft. Die für Probefahrten verfügbaren Wagen seien begehrt. „Wer sich einmal an ein Elektroauto gewöhnt hat, der will nichts anderes mehr fahren“, meint der Verkäufer Klemm.

Bei der Landeshauptstadt fährt Oberbürgermeister Fritz Kuhn mit Strom. Er steuere seinen Zweisitzer auf Dienstfahrten innerhalb des Stadtgebiets selbst, heißt es im Rathaus. Aktuell nutzt die Stadt, deren Fuhrpark rund 900 Fahrzeuge umfasst, sieben Hybridfahrzeuge, sechs E-Wagen sowie 18 E-Roller und 25 E-Fahrräder. Zudem laufen drei elektrische Lastenräder im Testbetrieb. Um den elektrischen Fuhrpark schrittweise umzustellen, hat der Gemeinderat 300 000 Euro bewilligt.

„Der Baisse bei den Elektroautos steht ein gigantischer Boom bei den Elektrofahrrädern gegenüber“, betont Christoph Joachim von Transvelo. Pedelecs seien im Fahrradhandel das am weitaus stärksten nachgefragte Produkt. „Das Geschäft brummt bei allen Händlern ohne einen einzigen Cent Fördermittel.“