Innenminister Reinhold Gall und Sozialministerin Katrin Altpeter setzen beim Thema Verkehrssicherheit auf die Eigenverantwortung älterer Menschen. Zwangstests zur Überprüfung der Fahrtüchtigkeit lehnen sie ab, obwohl die Zahl der an Unfällen beteiligten Senioren steigt.

Stuttgart - Immer mehr ältere Menschen im Land fahren Auto. Damit steigt auch die Zahl der Senioren, die an Verkehrsunfällen beteiligt sind – als Opfer, aber zunehmend auch als Unfallverursacher. Die Landesregierung hat sich jetzt des Themas „Mobilität im Alter“ angenommen und will mit einer Kampagne aufklären. „Information ist unsere Waffe“, sagte Innenminister Reinhold Gall (SPD). Die Regierung setze auf Eigenverantwortung der älteren Menschen. Von Verboten oder etwa verpflichtenden Fahreignungsüberprüfungen halten der Innenminister und die Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) nichts. Den Verdacht, damit ein zahlenmäßig wachsenden Wählerklientel nicht verprellen zu wollen, wiesen beide zurück.

 

Eine im Juli 2013 eingesetzte Projektgruppe, besetzt unter anderem mit Vertretern von Polizei, Landesseniorenrat, Verkehrswacht, ADAC und Fahrlehrern hat das Mobilitätsverhalten von Senioren unter die Lupe genommen, Unfallbilanzen analysiert und Vorschläge erarbeitet. Die Analyse ist erschreckend: 2014 war fast ein Drittel der Verkehrstoten im Land 65 Jahre und älter. Bei den getöteten Fußgängern waren es 40 Prozent, bei den getöteten Radfahrern rund 62 Prozent.

Senioren unsicher an Kreuzungen und verengten Baustellen

Raserei ist bei der Gruppe der Senioren nicht die Hauptunfallursache. Die älteren Menschen würden „in der Regel vorsichtig und langsam fahren“, stellte der Innenminister klar. Allerdings seien sie vielfach „komplexen Verkehrssituationen“ nicht mehr gewachsen. Sie machten Fahrfehler an Kreuzungen, Einmündungen, an Baustellen mit verengten Fahrspuren, beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren. „Zur Wahrheit gehört, dass drei Viertel der tödlichen Unfälle von den Senioren selbst verursacht sind“, betonte Gall. Er verwies aber darauf, dass das Alter alleine keine Rückschlüsse über die Fahreignung zulasse.

Trotz dieser alarmierenden Erkenntnisse schlägt die Projektgruppe zur Erhöhung der Verkehrssicherheit nur eine obligatorische Maßnahme vor – einen verpflichtenden Sehtest für alle Führerscheininhaber, unabhängig vom Alter. Eine Anregung, für die sich auch der Innenminister einsetzen will. Es sei nicht nachvollziehbar, warum dies bisher nur für Lastwagenfahrer gelte, nicht aber für Pkw-Fahrer. Allerdings sei für die Anpassung der geltenden Rechtsvorschriften der Bund zuständig.

Angst vor Verlust der Eigenständigkeit und Lebensqualität

Dass nicht jede Seniorin und jeder Senior rechtzeitig und freiwillig auf den Platz hinter dem Steuer verzichten will, weiß Ministerin Katrin Altpeter aus eigener Erfahrung: „Mein Vater tät mir ein’s pfeifen, wenn ich ihm dies vorschlagen würde“. Viele ältere Menschen hätten Angst, mit dem Verzicht aufs Fahren ihre Eigenständigkeit zu verlieren und nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Dennoch sollten Familienangehörige und Ärzte das Thema Fahrtüchtigkeit ansprechen, und etwa auf freiwillige Tests hinweisen, regte Altpeter an.

Kommunen etwa müssten beim Thema Verkehrssicherheit die „Zeit nach dem Auto“ im Blick haben: Wege gut beleuchten, zugeparkte Gehwege bekämpfen, auf Barrierefreiheit achten und Grünphasen an Fußgängerampeln ausreichend lang zu schalten. Sichere Mobilität müsse bereits ab der Haustür möglich sein, so Altpeter.