Im Abschlussinterview erzählt Oliver Haußer von den Tücken und Annehmlichkeiten als Nahverkehrs-Tester. Zwei Wochen lang war sein eigenes Auto tabu für ihn.

Rems-Murr: Sascha Sauer (sas)

Fellbach - jkl

 
Oliver Haußer hat für die Leser der Fellbacher Zeitung zwei Wochen lang kostenlos die Polygo-Card des Verkehrsverbunds Stuttgart (VVS) getestet. In dieser Zeit war sein eigenes Auto tabu für ihn. Dafür ist er in die Stadtbahn gestiegen und ist mit Car2go ins Geschäft gefahren. Jetzt zieht er Bilanz.
Herr Haußer, Hand aufs Herz, wie sehr haben Sie Ihr Auto in den vergangenen 14 Tagen vermisst?
Ich habe es nicht wirklich vermisst. Das hat zum einen damit zu tun, dass ich mich auf das Projekt eingelassen habe und wusste, was mich erwartet. Zum anderen war ja das Wetter auch sehr angenehm. Da störte es mich auch nicht, dass ich einige längere Wege, etwa zu den Autos von Car2go oder zur Stadtbahn zurücklegen musste. Außerdem hatte ich ja wirklich viele verschiedene Verkehrsmittel zur Verfügung und konnte sie je nach Bedarf nutzen.
Hatten Sie sich die Zeit als Tester der Polygo-Card so vorgestellt, oder gab es viele Überraschungen?
Ich hatte mir das eigentlich genauso vorgestellt. Im Vorfeld hatte ich mir schon Gedanken gemacht, was ich alles testen möchte und mit welchen Verkehrsmitteln ich das machen will. Mein großes Glück war es, dass der VVS mir die Arbeit der Anmeldungen bei den einzelnen Dienstleistern der Polygo-Card abgenommen hat. Ich denke, das wäre sehr zeitaufwendig gewesen.
Vom Auto bis zur Zahnradbahn – Sie haben alle Angebote der Polygo-Card getestet. Was war Ihr persönliches Highlight?
Da gab es einige. Trotz der Schwierigkeiten wegen eines Serverausfalls bei Nextbike war das Fahren mit dem E-Bike ein Highlight. Das lag auch daran, dass ich noch nie vorher E-Bike gefahren bin und überrascht war, wie wenig Anstrengung man für die Fahrstrecken benötigt.
Sichtlich Spaß hatten Sie aber auch, als Sie mit der Zahnradbahn hinauf nach Stuttgart-Degerloch gefahren sind.
Das stimmt. Bei der tollen Aussicht über Stuttgart wird einem mal wieder deutlich, wie schön die Gegend hier ist. Wer auswärtige Freunde zu Besuch hat, dem empfehle ich in jedem Fall eine Fahrt mit der Zahnradbahn.
Sie mögen es bequem. Deshalb haben Sie oft und gerne das Angebot von Car2go genutzt. Wäre das auch so gewesen, wenn Sie in Oeffingen wohnen würden?
Das ist eine gute Frage. Ich denke, wenn ich in Oeffingen wohnen würde, wären maximal nur ein paar Spaßfahrten drin gewesen. Für mich als Lindle-Bewohner war das Car2go aber ideal, weil der Stadtteil ja an Stuttgart angrenzt. Ich wünsche mir, dass Car2go für weitere Regionen ausgebaut wird.
Wie realistisch fanden Sie denn den Test?
Er war bedingt realistisch. Dass Streckennetz der VVS ist klasse, und ich habe festgestellt, dass man viele Strecken schneller zurücklegen kann, als ich gedacht habe. Oft ist man sogar schneller als mit dem Auto – besonders im Berufsverkehr. Glücklicherweise waren meine Bahnen auch meistens pünktlich und in der Urlaubszeit auch nicht so voll.
Wäre Ihnen manches Angebot der Polygo-Card nicht zu teuer gewesen?
Preislich finde ich das Angebot des VVS in Ordnung. Car2go finde ich allerdings zu teuer. Wenn man mal kurz im Stau steht, können sich die Kosten recht schnell summieren. Hier sollte nur die reine Fahrzeit – also wenn sich das Elektroauto bewegt – berechnet werden. Die Preise von Nextbike finde ich in Ordnung. Das ist auch eine Alternative, wenn man nach 18 Uhr mit der S-Bahn am Bahnhof ankommt. Da gibt es bei Nextbike einen Nacht-Tarif für 2 Euro bis zum nächsten Tag um 9 Uhr.
Ganz ehrlich. Gab es einen Moment, in dem Sie bereut haben, dass Sie bei dem Test mitgemacht haben?
Nein, zu keinem Zeitpunkt. Ich wusste ja vorher ungefähr, was auf mich zukommt. Selbst die Panne an der Nextbike-Station nahm ich mit Humor, ich musste ja zu keinem wichtigen Termin.
Zwei Wochen lang ohne Auto. Hat der Test eine Veränderung in Ihrem Verkehrsverhalten ausgelöst?
Das ist schwer zu sagen. Man findet sich schnell zurecht, und eigentlich wäre es mit einer Stadtbahnstation vor der Haustür kein Problem, auf viele Fahrten mit dem Auto zu verzichten. Aber ich denke, man fällt schnell wieder in die Bequemlichkeit zurück. Gerade mit Familie und Kindern ist ein Auto einfach praktisch. Mal muss man die Tochter von einer Freundin abholen, mal den Sohn zum Training fahren. Ohne Auto ist das eine größere Action.
Ist die Polygo-Card weiterhin ein Thema für Sie? Wem würden Sie sie empfehlen?
Ja, die Polygo-Card ist weiterhin interessant für mich. Ich finde es toll, dass so viele Mobilitätspartner des VVS auf einer einzigen Karte sind. Empfehlen kann ich die Polygo-Card auf jeden Fall Leuten, die kein Auto haben und trotzdem ab und zu eines brauchen. Auch für Menschen, die direkt in der Innenstadt von Stuttgart wohnen, ist das ein passendes Angebot. Denn sie sparen sich die Parkplatzsuche und den Feierabendverkehr. Wenn ich im Zentrum von Stuttgart wohnen würde, wäre für mich die Polygo-Card mit ihren Partnerbetrieben erste Wahl. Auch für Senioren bietet sich die Karte an, denn für sie gibt es recht günstige Tickets.
Als Sie zum ersten Mal wieder in Ihrem Auto gesessen sind, was haben Sie gedacht?
Ich bin derzeit im Urlaub und deshalb noch nicht Auto gefahren. Aber vermutlich ist mein Tank fast leer, und ich werde sagen: Mist, schon wieder für 50 Euro tanken.
Fellbach -