Der niederländische Designer hatte eine Idee: Warum nicht ein Smartphone aus leicht tauschbaren Komponenten zusammenstellen? Jetzt hat Dave Hakkens für sein Projekt Phonebloks einen mächtigen Partner gefunden: die Google-Tochter Motorola.

Stuttgart - Oft werden Mobiltelefone wegen eines einzelnen defekten oder veralteten Teils weggeworfen. Die Lebenszeit der meisten Smartphones beträgt nur wenige Jahre. „Das liegt daran, dass die elektronischen Geräte nicht darauf ausgelegt sind, lange zu funktionieren“, kritisiert der niederländische Designer Dave Hakkens, der im vergangenen Jahr sein Studium an der Design Academy Eindhoven abgeschlossen hat. Seine Idee: Warum nicht ein modulares Mobiltelefon bauen? Hakkens nennt seine Produktidee Phoneblok und sein Projekt Phonebloks. Auf die Idee ist jetzt einer der Großen der Branche aufgesprungen: eine Google-Tochter, der Mobilfunkpionier Motorola, hat sich mit Hakkens zusammengetan.

 

Hakkens hat sein Projekt über eine sogenannte Crowdspeaking-Plattform laufen lassen und damit auf digitalem Weg die Möglichkeit eröffnet, möglichst viele Besucher und Unterstützer zu gewinnen, um Firmen auf seine Idee aufmerksam zu machen. Sein Ziel war nicht, Geld einzutreiben, sondern sein Vorhaben einem breiten Publikum vorzustellen. Eine Marke von 900 000 Unterstützern hatte er sich bis zum heutigen Mittwoch zum Ziel gesetzt – und dieses schon vorher übererfüllt. Immerhin fast 400 Millionen Menschen haben sich die Plattform angesehen.

Individuell ausstatten, leicht reparieren

Die Idee, die so viele Menschen weltweit begeistert, besteht darin, das komplette Smartphone aus unterschiedlichen Blöcken auf einer Platine zusammenzusetzen. Diese Blöcke verkörpern jeweils nur eine Komponente des Mobiltelefons. Durch dieses Lego-ähnliche Baukastenprinzip können einzelne Bauteile schneller und effektiver repariert werden; der Nutzer ist nicht gezwungen, das gesamte Handy wegzuwerfen. Außerdem soll jeder sein Mobiltelefon individuell einrichten können. So können sich begeisterte Fotografen einen größeren Kamerablock einsetzen, Reisende einen stärkeren Akku. Damit soll das Handy umwelt- und benutzerfreundlicher werden.

Jedoch dürfte sich die Begeisterung der Hersteller in Grenzen halten. Sollte das versprochene Handy tatsächlich länger funktionieren als ein derzeit übliches, müssten nämlich die Umsätze im Verkauf entsprechend zurückgehen.

Andererseits könnte auch ein ganz neuer Markt entstehen. Nach Hakkens Vorstellung sollen die einzelnen Blöcke von unterschiedlichen Firmen hergestellt werden. Er erhofft sich nach dem Prinzip eines App-Stores einen Hardware-Handel mit neuen und gebrauchten Modulen. Auf diese Weise könnte der Nutzer gezielt Marken unterstützen, Hersteller könnten selbst neue Blöcke erfinden. Sie könnten an einem Solarzellenakku arbeiten oder einen Bildschirm für Blinde kreieren. Das Phoneblok würde sich dadurch ständig verbessern.

Wie flexibel sind Standards?

Allerdings hat die Phoneblok-Idee auch kritische Seiten. Volker Coors, Professor für Informatik an der Hochschule für Technik Stuttgart, äußert sich grundsätzlich zuversichtlich: „Ich kann mir gut vorstellen, dass die Idee des Phonebloks realisierbar ist.“ Bedenken hat er gegenüber dem Aufbau: „Da jeder Block normierte Standards erfüllen muss, könnte es ein Manko an Feintuning und Freiheiten am technischen Design geben“, sagt Coors. Unternehmen würden einzelne Bauteile vermutlich nicht mehr perfektionieren.

Problematisch könnte auch die Kommunikation zwischen den Bauteilen sein. Die meisten modernen Smartphones sind sehr kompakt gebaut, die einzelnen Komponenten liegen nah beieinander. Das Phoneblok bricht diese Bauweise auf. Die Kommunikationswege zwischen einzelnen Teilen werden länger, das Gerät arbeitet langsamer. Durch die Block-Bauweise würde es auch größer.

Google kauft israelische Patente

Abwegig ist die Idee dennoch nicht. Bereits 2008 präsentierte das israelische Unternehmen Modu auf dem Mobile World Congress, einer jährlich stattfindenden Fachmesse für Mobilfunk, ein entsprechendes Konzept. Nach der Insolvenz von Modu kaufte der Suchmaschinenriese Google die entsprechenden Patente auf. Unter der Bezeichnung „Project Ara“ soll nun in den kommenden Monaten das modulare Smartphone zusammen mit den Machern von Phonebloks und interessierten Entwicklern verwirklicht werden, wie Motorola Anfang der Woche bekanntgab.

Der Informatiker Coors sieht Parallelen zwischen dem modularen Smartphone und der PC-Entwicklung der achtziger Jahre. „Damals konnte der Käufer mit verschiedenen Bauteilen den Computer individualisieren.“ Jedoch habe der Trend nicht lange angehalten, die Menschen seien zurückgefallen auf den Kauf von Endprodukten, sagt Coors: „Es ist gut möglich, dass das den Phonebloks auch passiert.“

Zudem stellt sich die Frage der Haftung: Wer wäre für mögliche Konzeptionsfehler verantwortlich? Die Firmen, welche die Blöcke herstellen, oder der Nutzer selbst? Offen ist auch, mit welcher Software das modulare Smartphone ausgestattet werden soll. Coors hält das Betriebssystem Android für die beste Lösung. Doch bereits Android hat mit der Vielfalt unterschiedlicher Endgeräte Schwierigkeiten. Da dürften die beinahe unbegrenzten Kombinationsmöglichkeiten des Phonebloks die Situation nur erschweren.

Der Umwelt aber könnten die Umtausch-Optionen nützen. Weltweit werden Tonnen von Silber, Gold und Palladium und anderen wichtigen Rohstoffen und Seltenen Erden für die Handyproduktion verwendet. Rohstoffverbrauch und Müllaufkommen könnten sich verringern, wenn modulare Reparatur und Aufrüstung möglich wäre. Allerdings nur, wenn auch die Materialien der Gehäuse weniger umweltschädlich wären.

Das faire Smartphone

Alternative Das alternative Fairphone ist ebenfalls von einem niederländischen Unternehmen entwickelt und erfunden worden. Das Mobiltelefon soll zumindest in Teilen unter fairen Bedingungen gebaut werden, die keinen illegalen Abbau von Rohstoffen, keine Kinderarbeit oder die Finanzierung von Bürgerkriegen fördern. Es schont wie das Phoneblok die Umwelt, jedoch haben beide unterschiedliche Ansätze. Nach zweieinhalb Jahren vorbereitender Kampagne gründete sich in diesem Frühjahr das soziale Unternehmen Fairphone.

Erfolg Der Kauf eines Telefons soll von Dezember diesen Jahres an möglich sein. Etwa 20 000 Exemplare sind bereits vorbestellt. Zur Markteinführung in diesem Winter sollen 25 000 Handys lieferbar sein. Besonders wichtig ist dem Hersteller die Transparenz von Produktion und Kalkulation. Im Durchschnitt will er an einem 325 Euro teuren Fairphone nur fünf Euro verdienen. Technikgigant Apple verdient an einem iPhone mehr als 200 Euro.