In dieser Reihe stellen wir Mode und Modemacher aus Stuttgart und der Region vor. Dieses Mal: Florence Shirazi und Kai Alt, die mit ihrem Label Mademoiselle YéYé die 60er und 70er feiern.

Kultur: Kathrin Waldow (kaw)

Stuttgart - Flower Power, Miniröcke, Marlene-Hosen – Retromode hat es Florence Shirazi und Kai Alt angetan. Die beiden haben 2012 in Stuttgart das Modelabel Mademoiselle YéYé gegründet und machen Frauenmode in Anlehnung an die 50er, 60er und 70er Jahre. Mittlerweile sind sie damit weit über den Kesselrand hinaus bekannt. „Vor allem in Belgien, den Niederlanden und Skandinavien sind unsere Sachen sehr beliebt. Dort sind die Menschen mutiger, was Mode angeht“, sagt Shirazi. „Manche Kleidungsstücke, die dort Bestseller sind, bringen wir in Stuttgart nicht an die Kunden und andersrum. Bei uns sind es eher die Klassiker, die gut laufen, in den Benelux-Ländern darf es auffälliger sei“, weiß die 44-Jährige aus den deutschen Nachbarländern zu berichten.

 

Die gelernte Grafikerin und Illustratorin zeichnet für die Entwürfe und Designs verantwortlich. Alt und Shirazi stellen jede Kollektion, die pro Saison mittlerweile 100 Teile umfasst, gemeinsam zusammen. Die meisten Stoffe werden laut Shirazi extra für Mademoiselle YéYé hergestellt.

Neben Design und Produktion ist den Machern die Qualität der Stoffe sehr wichtig. Vor allem schwören sie auf ihren Jersey-Stoff, aus dem viele Teile angefertigt werden. „Der ist besonders hochwertig und hält lange, das schätzen die Kunden“, sagt die sympathische Designerin. Von auffällig und verspielt, geblümt oder gepunktet bis klassisch, einfarbig und zurückhaltend ist designmäßig alles dabei. Hosen, Rücke, Oberteile, Shirts, Jacken, und vor allem Kleider: Tailliert mit Gürtel, in A-Form oder im Hemdblusen-Stil – die Bandbreite in den Kollektionen ist groß.

„Ein Stuttgarter Label sollte hier einen Laden haben“

In Sachen Organisation und Abwicklung hält Alt die Fäden in der Hand. „Unser Fokus liegt auf dem Großhandel, Stückzahlen sind eine wichtige Stellschraube im Modebusiness“, sagt er. „Das darf man sich nicht zu romantisch vorstellen. Wir sind häufig auf Messen unterwegs, unsere Ware hängt in Showrooms und wird dort an Boutiquen verkauft.“ Auch der Onlinehandel sei für das Label enorm wichtig.

Seitdem es die alternative Einkaufspassage Fluxus gibt, haben die beiden auch in Stuttgart eine feste Anlaufstelle für Modeliebhaber mit Retrofaible verankert. „Von Anfang an waren wir im Fluxus mit einem Laden dabei. Mittlerweile sind wir hier einmal umgezogen und haben uns vergrößert. Das ist ein toller Verbund an Leuten und Läden, wir fühlen uns hier richtig wohl. Außerdem finden wir es wichtig, als Stuttgarter Label auch mit einem Laden in der Stadt vertreten zu sein,“ sagt Shirazi.

Neben dem eigenen Label gibt es im Shop auch ausgewählte andere Marken mit Retrocharakter wie etwa traffic people aus Großbritannien oder Zilch aus den Niederlanden.

Subkultur und gesellschaftlicher Wandel als Inspiration

Angefangen hat alles mit der Idee, gemeinsam Mode für Männer zu machen, erzählen die beiden, die nicht nur beruflich ein Paar sind. „Zum Glück haben wir das nicht gemacht“, winkt Shirazi lachend ab. Weil sie Alt und Shirazi eine Affinität zu den 60er- und 70er Jahren hätten, sich mit der Mode, Musik und den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in dieser Zeit viel auseinandersetzen, war das schließlich der Zugang zur eigenen Modeidee. „Das war eine wichtige Zeit, in der viel passiert ist, wir assoziieren damit, Freiheit, Aufbruch, Emanzipation, Farbenpracht, aber natürlich auch das Spiel mit Klischees“, so die Labelinhaberin.

„Anfangs haben wir viel ausprobiert und erst in kleinen Stückzahlen angefertigt. Das Schwierigste ist die Suche nach guten Produzenten“, weiß Alt. Ihren Stil haben sie in der Subkultur und den Retroelementen gefunden, die Produzenten für die Stücke in Istanbul.

Keine Magermodells, Rücksicht auf Tiere

„Uns ist es wichtig, dass wir die Produzenten gut kennen, und dass nach sozial verträglichen Kriterien gearbeitet wird. Wir sind mehrmals im Jahr vor Ort und halten engen Kontakt. Einer unserer Partner ist Teil der Fair Wear Foundation, einer europäischen Initiative, die sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie einsetzt. Bei den anderen stehen wir dafür ein, dass die Arbeitsbedingungen in Ordnung sind“, sagt Alt.

Diese Haltung zieht sich sogar bis zu den Models für ihre Modeshootings durch. „Wir buchen normale Frauen für unsere Shootings, keine Magermodels oder Mädchen. Wir machen ja Mode für Frauen und wollen nicht, dass diese von Kids präsentiert wird“, so Alt. Auch auf Tiere nimmt Mademoiselle Yéyé Rücksicht: Die Kleidungsstücke tragen das Vegan-Siegel der Tierschutzorganisation Peta, das bezeugt, dass auf tierische Komponenten verzichtet wurde. Passend dazu werden im Laden vegane Schuhe verkauft.

„Zeit der Trends ist vorbei“

„Gerade sind wir an der Winterkollektion für 2016/2017. Da setzen wir erstmals auf Biobaumwolle“, verrät Alt. Und es gibt noch mehr Pläne: Shirazi und Alt wollen mit ihrem Label langsam weiter wachsen und auch die Männermode-Idee ist noch nicht vom Tisch. „Wir denken im Moment noch über eine gute Umsetzung nach.“ Eine Frage bleibt: Ist die Erfolgsstory der Retromode nicht irgendwann auserzählt? „Das glauben wir nicht. Aber wir entwickeln uns mit Mademoiselle YéYé auch weiter“, sagt Shirazi.

Alt sieht die Entwicklung des eigenen Labels im Kontext des Modewandels: „Wir glauben die Zeit der Trends ist vorbei. Retro war vor einiger Zeit mal ein Trend. Das hat sich geändert. Heutzutage kann man alles tragen. Der individuelle Mix macht die persönliche Mode, den eigenen Stil aus. Deswegen sind auch Modeblogger so erfolgreich. Die picken sich, wie die meisten Menschen, hier und da was raus und kombinieren die Stile miteinander. Dass wir mit zeitgemäßer Retromode kein Trend, sondern gut kombinierbar sind, sieht man daran, wie wir uns entwickelt haben“, so der Modemacher. „Früher war etwas entweder in oder out. Heute ist nichts mehr out“, sagt Shirazi. „Oder alles in“, fügt Alt hinzu.

Bis Ende 2017 bleibt Stuttgart das Fluxus noch erhalten. Bis dahin wollen auch die Macher von Mademoiselle YéYé ihren Laden weiterhin in der ehemaligen Calwer Passage behalten. „Danach kommt dann hoffentlich in Stuttgart eine neue Möglichkeit für uns, vor Ort präsent zu sein“, sagt Shirazi.

Hier geht’s zur Homepage und zum Onlineshop von Mademoiselle YéYé.

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