Den Patienten soll lästige Lauferei erspart bleiben. Durch eine Blankoverordnung könnten Physiotherapeuten selbst über die Länge der Therapie entscheiden. In Baden-Württemberg startet wohl das erste Modellvorhaben dazu.

Stuttgart - Viele wissen ein Lied davon zu singen: Sie haben eine ärztliche Verordnung über sechs- oder zwölfmal Massage oder Krankengymnastik. Doch sind die abgearbeitet, und das Leiden ist nicht vorbei, müssen sie erneut zum Arzt, um sich eine neue Verordnung zu holen – eine ständige Lauferei. Mit dem kürzlich beschlossenen Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung könnte das besser werden. Die „Heilmittelerbringer“ – also Physiotherapeuten, Masseure, Logopäden oder medizinische Fußpfleger - sollen mehr Spielraum erhalten.

 

Neben einer besseren Qualität von Hilfsmitteln ist einer der spannendsten Punkte des Gesetzes die „Blankoverordnung“ für die Heilmittelerbringer: Sie sollen eigenverantwortlich über die Auswahl und die Dauer der Therapie sowie die Häufigkeit der Behandlungseinheiten bestimmen – ein Novum im deutschen Gesundheitssystem. Bei der Diagnose durch den Arzt und seine erstmalige Anordnung aber soll es bleiben, danach könnte die Blankovollmacht kommen.

Die ersten Gespräch im Südwesten starten jetzt

Allerdings wird die Neuerung nicht sofort als Regelversorgung eingeführt. Sie soll zunächst in jedem der 16 Bundesländer mit Modellvorhaben erprobt werden. Ende März treten die Regeln zur Durchführung der Modellvorhaben in Kraft. Bei diesen könnte Baden-Württemberg Vorreiter sein. Am Mittwoch findet ein erstes Gespräch zwischen der Landes-AOK und dem Landesverband Physio Deutschland (Verband für Physiotherapie) statt. „Meines Wissens sind wir die ersten, die ein Gespräch terminiert haben“, sagt Michael Preibsch, Chef des Landesverbandes und Vize im Physio-Bundesverband, der mit 30 000 Mitgliedern deutschlandweit der größte Zusammenschluss von Krankengymnasten ist.

Preibsch sagte unserer Zeitung, man sei „über jeden Tag froh“, den das Modellvorhaben früher beginne, er gehe aber davon aus, dass es im Südwesten nicht vor 2018 starten werde. Bei Gesundheitspolitikern wie Karin Maag (CDU), die im Gesundheitsausschuss des Bundestages sitzen, löst das eine gewisse Enttäuschung aus: „Ich hatte erwartet, dass es im Sommer schon losgeht.“ Maag betont, dass sich die Ausbildung der Physiotherapeuten stark verbessert habe, weshalb die Blankoverordnung richtig sei: „Einzelne Therapien können die einfach besser.“ Die Umsetzung eines Gesetzes durch die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen sei allerdings oft ein langer Weg. In der Tat sind noch viele Fragen offen, was das Modellvorhaben in Baden-Württemberg anbelangt: Welche Universität soll das Projekt wissenschaftlich begleiten und am Ende bewerten? Wird das Vorhaben regional begrenzt oder zeitlich?

Preibsch hat für die Physiotherapeuten schon gewisse Vorstellungen: „Wir wollen, dass das Modellprojekt möglichst breit in die Fläche geht.“ Gewünscht wird auch, dass die Ärzte die Diagnose stellen und die Verordnung ausstellen, der Physiotherapeut aber die Therapie wählt. Bei der AOK Baden-Württemberg heißt es, dass die Kasse sich „grundsätzlich“ für das Modellvorhaben zur Blankoverordnung im Lande ausspreche.