Das ist ganz große Oper: wenn die Landesinnung des Modisten-Handwerks zur Hutmodenschau ins Foyer des Opernhauses lädt und die Damen diesem Event mit den schönsten Kreationen aus ihrem Fundus huldigen.

Stuttgart - Die Zeit der Panamas und der Florentiner ist zu Ende. Aber wer wird ihnen nachtrauern, wenn die Wehmut des Abschieds vom Sommer in die Vorfreude auf die neuen Kopfbedeckungen für den Herbst und für den Winter verwandelt wird: wärmend, witzig, fantasievoll, elegant und doch alltagstauglich oder umwerfend stylish für den großen Auftritt. Ganz nach Lust, Laune und Gelegenheit.

 

Freilich macht sich optisch auch ein wenig Düsternis breit. „Blau ist das neue Schwarz“, versichert zwar Isabel Jakel, Inhaberin von Hut Konrad in Mannheim, aber beim genauen Hinsehen sind es doch die Farben Schwarz, Grau und Braun, die uns behüten werden. Aufgehellt wird die Palette durch ein schmeichelndes Wollweiß, Bordeaux und ein dunkles Grün schimmern am schönsten in Samt, der wieder Furore macht. Aber Rot macht sich rar.

Kappen, Glocken, Töpfe

Da sind die Kreationen von Tanja Robinson-Marquardt (Hut Hanne, Stuttgart), Obermeisterin der Innung, umso mehr ein Hingucker: Der Flapper aus rotem Leder, das absichtlich bereits eine gewisse Patina aufweist – used look genannt – trotzt dem Winter sogar mit einem Blütenaufputz. „Ich finde, die Hüte müssen weich und knuddelig sein“, sagt die Meisterin. In eine schwarze Wollmütze sind bunte Lederbänder geknotet, und das ebenfalls rote Modell im Stil der Zwanziger bezieht seinen Pfiff durch den beherzt in Streifen geschnittenen Filzrand.

Oder wie wäre es mit einer Kappe, die dem Turm einer Esslinger Kirche gleicht und vom Wetterhahn gekrönt isst? Oder einem ausladenden braunen Flapper mit dem Muster eines Fachwerkhauses? Birgit Sophie Metzger vom Esslinger Atelier Szenario Hat Couture und ihr Geselle Michael Merten haben sich für ihre Kollektion „Altstadt“ die Inspiration aus ihrer nächsten Umgebung geholt und zitieren mit einer roten Kappe die Ziegeldächer samt Gauben und Dachfenster. Kirchenfenster zieren eine Schildmütze und Fotoimpressionen aus der Webergasse einen weichen unkomplizierten Hut. Vroni Fumian, Azubi im zweiten Lehrjahr bei Metzger, hat sogar einen Springbrunnen auf eine graue Kappe gesetzt. „Den sollte man in Esslingen bauen“, lacht sie.

Kappen, Glocken, Töpfe: Diese Formen variieren die Kreationen von Cornelia Edelmann (Ravensburg), Gisela Hähnle (Schechingen), Sabine Pfeiffer (Bad Mergentheim) und Isabel Jakel (Mannheim) vielfältig und gekonnt. Und sie dominieren auch die Kollektion von Richard Lang aus Walldürn, mit 79 der Nestor der Modisten, der Generationen von Hutmachern ausgebildet hat. „Meine Hüte sollen weich und tragbar sein, der Zeit angepasst und doch mit starker Aussage“, betont er. Diese starke Aussage kann man nicht nur an einer exquisit behüteten Dame im Publikum bewundern, die Lang als seine „Star-Kundin“ bezeichnet. Sondern auch an den Modellen, die er mitgebracht hat: Mit ungewöhnlichen Kombinationen von Farben und Materialien wie bei der Kappe aus wollweißem Filz und Leder mit einem Dekor aus braunen Wollfäden und dem Exemplar mit kunstvollen Streifen, die an den Stil der Wiener Secession erinnern.

Der Hut ist ein Ausdruck von Zeitgeist

„Wir brauchen Kunden, die gern im Mittelpunkt stehen wollen“, sagt Lang. „Exoten“, fügt er an. Das Handwerk der Hutmacher sieht sich selbst in der exotischen Ecke. Nicht, weil der Mut zum Hut fehlt, im Gegenteil, das Tüpfelchen auf dem i der Garderobe erlebt schon seit geraumer Zeit eine modische Renaissance, gerade bei den jungen Leuten. Aber preiswerte Industrie- und Konfektionshüte untergraben die Wertschätzung für das Handwerk mit seinen besonderen Fertigkeiten, die den Modellhut teurer machen, bedauert Richard Lang. Daher ist das Traditionsgeschäft Hut Hanne, das demnächst neben dem Stammhaus in der Königstraße eine zweite Adresse in der Eberhardstraße eröffnen wird, das einzige Stuttgarter Geschäft, das zur Innung gehört. Und von den Ateliers, die sich bei der seit 51 Jahren stattfindenden Modenschau präsentierten, bilden nur drei Lehrlinge aus.

Neben Birgit Sophie Metzger und Isabel Jakel ist das Eike Schnatmann, deren Modelle man allerdings nur bewundern und höchstens mal bei einem Fundus-Verkauf der Staatstheater kaufen kann. Denn sie leitet hier die Hutwerkstatt für Oper, Ballett und Schauspiel. Da war ein Blick in die kommende Spielzeit gestattet: Marthe Schwertlein wird im „Faust“ die Federkappe und den verführerischen Kopfputz aus schwarzen Perlen tragen. „Fürs Theater zu arbeiten ist wunderbar“, sagt Eike Schnatmann, „weil wir tolle und ausgefallene Materialien sehr hochwertig verarbeiten.“

„Heute ist der Hut ein Ausdruck von Zeitgeist und Lebensgefühl“, stellt man bei Hut Hanne fest. Das gilt nicht nur für die klassischen Herrenhüte, die hier Markus Raab, der Kulturbürgermeister von Esslingen, als Model vorführte. Sondern mehr noch für Skatercap, Trilby oder Bowler, ohne die junge Männer nicht mehr zur Arbeit, in die Uni oder erst recht in die Disco gehen. „Darum habe ich jetzt noch angefangen, Herrenhüte zu machen“, lacht Richard Lang. Und wo bleiben seine sensationellen Wagenräder? Da kommen sie schon, schwarz, ausladend, umwerfend. Als opernreifes Finale.