Die Schüler des Fachbereichs Mode und Design der Kerschensteinerschule arbeiten auf Hochtouren für ihre Modenschau unter dem Motto Naturgewalten. Wie jedes Jahr präsentieren sie ihre Modelle selbst.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Den Gewitterdress kann Dominik Blasel nicht einfach überziehen. Das üppig mit Spiegelscherben verzierte Oberteil hat ein Innenleben aus Hühnerdraht damit es Festigkeit erhält. Auch Valerie Haas benötigt zum Ankleiden eine Garderobiere, denn ihr Ganzkörperblumenkorb wird hinter den Kunstrosen durch ein Metallkorsett gehalten.

 

Die beiden jungen Kreativen besuchen die Abschlussklasse des Berufskollegs Mode und Design an der Kerschensteinerschule. Ihre fantasievollen, aber reichlich zwickend und zwackenden Gewänder werden sie auf dem Laufsteg zeigen, denn alle drei Jahrgänge des Ausbildungszweigs zeigen jedes Jahr ihre Stücke bei einer Modenschau. Das ist Tradition seit 1999.

Recycling beschäftigt die Modemacher

Jeweils die Abschlussklasse wählt ein Motto, das drei Jahrgänge für sich gestalten können: Naturgewalten heißt es dieses Mal: Wasser, Erde, Luft und Feuer. „Die Natur ist allgegenwärtig. Und wir sollten schätzen, was wir an ihr haben“, begründet Blasel die Themenwahl. „Fairtrade, Recycling und Upcycling sind ja derzeit große Themen. Selbst eine der ganz großen Modeketten hat ein eigenes Recyclingkonzept für Kleidung entwickelt“, fügt sein Mitschüler Pavlos Athanassoglou hinzu.

Gut gebügelt ist halb genäht

Die Spannung in der Abschlussklasse steigt von Tag zu Tag: Noch lange sind nicht alle Gewänder fertig. Und das große Ereignis am 5. Mai rückt näher. Alle Nähmaschinen im Unterrichtsraum sind in Betrieb. An den stattlichen Dampfbügelstationen herrscht Hochbetrieb. „Gut gebügelt ist halb genäht“, sagt Fachlehrerin Rossana Portaccio-Scheuring. Sie präsentiert stolz drei der Entwürfe für die Abschlussarbeiten. Im praktischen Teil der Gesellenprüfung müssen die Schüler innerhalb von 32 Stunden ein Kostüm mit Hose oder Rock nähen und es muss bestimmte Gestaltungselemente bekommen: zum Beispiel Minivolants am Verschluss, eine Ziernaht am Revers oder einen dezenten Fransenrand am Kragen.

Tragbare Mode und professionelles Schneiderhandwerk sind beim Abschluss gefragt, die Pflicht sozusagen. Aber nur die Kür kommt auf den Laufsteg. Wallegewänder, die nicht nur farblich von wogenden Wellen inspiriert wurden oder ein schulterfreies Abendkleid für das Korallen Pate stand, eine Lilienknospe, deren Blütenblätter sich zum Rock entfalten.

Schal nach Tuareg-Art

Luise Ulrich hat sich dagegen mit Dürre und Wüste auseinander gesetzt. Heraus kam ein Dress mit weiter Hose, langer Jacke und einem integrierten Schal, der sich nach Tuareg-Art um den Kopf drapieren lässt. Genäht hat sie ihn aus Berberseide. Die wirkt auf den ersten Blick wie Sackleinen, ist aber edel und teuer.

Die Materialien für ihre Abschlussarbeiten müssen die Schüler selbst finanzieren. „Wir schwärmen immer wieder aus in die Stoffgeschäfte“, erzählt Pavlos Athanassoglou. Was es dort nicht gibt, bestellen die Schüler beim Großhandel. Großformatige Musterbücher mit Stoffproben in allen erdenklichen Farben und Qualitäten lagern im Schulschrank. „Die Modelle für die Modenschau müssen erschwinglich sein. Wir achten darauf, dass die Stoffe dafür nicht mehr als 20 Euro pro Meter kosten“, erklärt die Fachlehrerin. Alle Entwürfe sind bei den sogenannten Kollektionpartys vorgestellt worden und werden dort kritisch beurteilt: Was kann bleiben, was soll anders werden?

Heißkleberpistole ist unentbehrlich

Dominik Blasel hatte vor allem an der experimentellen Aufgabe seine Freude: Sein Gewitteroberteil hat er ohne Nadel und Faden produziert. Das ist die Aufgabenstellung: Weg von der Schneiderei, hin zum kreativen Einsatz von Zange, Draht und Klammern. „Die Heißkleberpistole ist bei diesen Modellen unser bester Freund“, scherzt der Schüler. „Das macht Spaß, weil es einmal etwas ganz Anderes ist. Genäht wird ja schließlich während der ganzen Ausbildung.“

Barfuss auf dem Laufsteg

Passend zu den Naturthemen werden die Schüler und Schülerinnen ihre Kreationen barfuß auf dem Laufsteg präsentieren. Damit umschiffen sie eine der besonders heimtückischen Klippen, denn Schuhe sind teuer und wer hat schon das Geld, um für jedes Outfit das passende Paar zu kaufen.

Der Verzicht auf Highheels hat noch einen angenehmen Nebeneffekt. Er erleichtert enorm den Schwierigkeitsgrad des Lauftrainings, das die Schüler derzeit abends nach dem Unterricht und unter der Anleitung einer Choreografin absolvieren. Geschminkt und frisiert werden sie von Profis und sie selbst müssen für die gute Figur auf dem Laufsteg sorgen. „Alle Teile sind auf Maß geschneidert. Es sollte also niemand jetzt zu- oder abnehmen“, sagt Dominik Blasel lachend.