Bei einem Konzert von Moderat muss man nicht nur fragen, wie sich das anhört. Sondern auch, wie sich das anfühlt. Beim ausverkauften ersten Auftritt vor Stuttgarter Publikum wurde das LKA jedenfalls ordentlich durchgeschüttelt. Und das lag nicht nur am Bass.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Pessimisten konnten mit Recht Schlimmes ahnen vor dem Auftritt von Moderat im LKA in Stuttgart, und das aus zwei Gründen. Grund eins: Wenn der Veranstalter Russ "ausverkauft" meldet und sich 1500 Menschen in diesem Raum drängen, kann es sehr eng werden; zu eng möglicherweise, wenn die vorgetragene Musik zum Tanzen einlädt.

 

Grund zwei: der Sound. Wenn der Tontechniker nicht aufpasst, wabert leicht ein Art Bass-Brei durchs LKA, in dem man die Songs seiner Lieblingsband dann gar nicht mehr erkennt. Bei einem zu erwartenden basslastigen Auftritt von Moderat, der vom Veranstalter vorsichtshalber als "Naturgewalt" angekündigt worden ist, sollte man zunächst also skeptisch sein. Zumal es Sonntagabend ist, also nicht unbedingt die beste Zeit für elektronische Tanzmusik, außer man ist im After-Afterhour-Modus. Was niemandem zu wünschen ist.

Moderat sind wortbildnerisch und musikalisch eine Fusion des Dance-Duos Modeselektor und des experimentell-elektronisch gepolten Songwriters Apparat; alle drei leben in Berlin. Da kommt tanzbare Musik heraus, die sich vom Techno-Unz-Unz aber ganz bewusst fernhält. Moderat werden es vielleicht nicht gern hören, aber sie sind musikalisch in der Nähe von Leuten wie Paul Kalkbrenner zu verorten. Der füllt längst die Hallen, und zwar weil er elektronische Beats mit einer gerade hierzulande geschätzten Gefühligkeit verbindet; weil es bei ihm zwar auch mal rumst, man aber immer auch warme Soundflächen serviert bekommt, echten menschlichen Gesang und, insbesondere: Melodien.

Moderat sind aktuell mit ihrem Album "II" auf Tour. Die I dazu, das selbstbetitelte Album "Moderat", kam 2009 in die Läden, also quasi zeitgleich mit Kalkbrenners "Berlin Calling"-Soundtrack - richtig, das ist der mit "Sky and Sand" drauf. Welchem Genre der elektronischen Musik das zuordnet werden kann, ist im Grunde egal. Es ist und bleibt elektronische Musik mit vergleichsweise komplexen klanglichen sowie rhythmischen Strukturen und Melodie obendrauf. 

Diese Musik will mehr sein als der Soundtrack für die aktuelle Party. Deshalb tragen Moderat sie auch anders vor: Die drei Musiker stehen zwar Kraftwerk-like während des gesamten Auftritts hinter Pulten mit allerlei elektronischen Instrumenten. Doch Apparat alias Sascha Ring singt eben auch live, seltener greift er auch zur Gitarre. Die Haare hängen ihm ins Gesicht und auch sonst hat die Präsenz auf der Bühne mehr von einem Konzert als von einem DJ-Set. Ja, elektronische Musik kann auch als Konzert vorgetragen werden. Man muss sie dann aber auch nach Konzertmaßstäben bewerten.

Rauer und weniger maschinenmäßig

Das fängt beim Sound an. Der, so viel lässt sich kurz und knapp sagen, ist fantastisch. Weil die besten Abende regelmäßig die sind, die auch ganz schrecklich werden könnten, ist den Soundtechnikern ganz besonders zu danken. Moderat jagen ziemlich laut ziemlich tiefe Frequenzen Richtung Mischpult. Dass der Bass trotzdem nicht die Synthesizerflächen, die auch in der Dynamik fein geschachtelte Perkussion oder Sascha Rings Gesang übertönen, ist eine wahre Leistung. Mehr noch: Dieses Konzert nimmt den vielschichtigen Sound der Moderat-Alben auf, lässt das aber doch nach Live-Performance klingen, eben ein Stück rauer und weniger maschinenmäßig. 

Der zweite Maßstab, nach dem man ein Konzert beurteilen muss, wirft die Frage auf: Rechtfertigt sich der Live-Auftritt selbst? Das heißt, ist es besser, hier in diesem Konzertsaal zusammenzukommen als die Musik von der Platte zu hören? Ja, das ist es. Zwar halten sich Moderat im Wesentlichen an die Strukturen, die ihre Songs auf den Alben haben. Es gibt keine ausufernden Extended Versions, es wird nicht ekstatisch remixt - vielmehr werden die Songs vorgetragen. Auch hier sind Moderat näher an der klassischen Liveband als am DJ, der seine Präsenz auf der Bühne ja gerade mit dem kunstvollen Neu-Zusammenmischen rechtfertigen muss. 

Nächstes Mal Porsche-Arena?

Moderat hingegen spielen ein gut anderthalbstündiges Konzert mit Spannungsbögen und recht euphorischen Ansagen zwischen ihren Songs. Ihre Musik - auch das zeigt sich live - kann im einen Moment zu großer Innerlichkeit einladen und im nächsten Moment als Feier-Soundtrack explodieren: Bass für jede Lebenslage. Das Songmaterial des aktuellen Albums "II" ist etwas ruhiger geraten als das 2009 erschienene "Moderat"; doch das mischt sich im LKA genauso gut wie das Publikum: Jüngere und Ältere, Club- und Konzertgänger, im Zweifelsfall zu erkennen an ihrem Tanzstil.

Gerade wegen des menschlichen Faktors Gesang und der nicht opulenten, aber sehr fein dosierten und gut abgestimmten Lichtshow ist das Konzert insgesamt weitaus mehr, weitaus besser als einfach gemeinsam Platten anzuhören.

Das LKA dankt Moderat am Ende sogar mit kurzem Mitklatschen im Vier-Viertel-Takt. Das wird dem Berliner Trio, das dem gebrochenen und nicht dem geraden Beat hinterherspürt, nicht ganz gerecht. Aber damit muss man eben auch rechnen, wenn man in die Konzerthallen geht und wenn man versucht, Club- und Popmusik zu vermischen. Moderat gelingt das, auf Platte wie auch live. Nächstes Mal vielleicht in der Porsche-Arena?

P.S. Nicht unerwähnt bleiben soll der Umstand, dass Moderat eigentlich am Abend der Bundestagswahl, also am 22. September 2013, ins LKA hätten kommen sollen - auch ein Sonntag, aber damals wäre das Konzert nicht ausverkauft gewesen. Kurz vor dem Termin hatte Sänger Sascha Ring aber einen Motorradunfall (mit kompliziertem Beinbruch), weshalb die Tour verschoben wurde.