Der frühere württembergische Staatspräsident Eugen Bolz bezahlte seinen Widerstand gegen das NS-Regime mit dem Leben. Jetzt soll sein Wohnhaus abgerissen werden. Doch die Allianz derer, die das Gebäude erhalten wollen, wächst.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Zwölf Jahre lang, und zwar in der letzten leidvollen Zeit von 1932 bis 1944, hat der frühere württembergische Staatspräsident und bekennende Katholik Eugen Bolz (1881–1945) in jenem Haus Am Kriegsbergturm 44 gewohnt. Nun soll es Eigentumswohnungen weichen, doch immer mehr Menschen plädieren dafür, dass das Land das Haus erwerbe und dort eine Gedenkstätte einrichte. Ist das sinnvoll?

 

An der historischen Bedeutung von Eugen Bolz gibt es keinen Zweifel. Thomas Schnabel, der Leiter des Hauses der Geschichte, greift sogar zum Superlativ: „Bolz ist der bedeutendste Politiker des 20. Jahrhunderts im Südwesten.“ Dieser habe als Staatspräsident großen Anteil daran gehabt, dass Württemberg recht glimpflich durch die Wirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre gekommen sei. Vor allem war Eugen Bolz aktiv im Widerstand gegen das NS-Regime. Er sollte Kultusminister werden, wäre das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 gelungen. Bolz bezahlte dies mit dem Leben, am 23. Januar 1945 wurde er in Berlin mit dem Fallbeil hingerichtet.

Daneben ist Bolz nicht nur für viele Christen ein Vorbild, ähnlich wie auf protestantischer Seite Dietrich Bonhoeffer, weil Bolz aufrecht und in tiefem Glauben an Gott in den Tod ging. In einem Brief aus der Haft an seine Tochter schrieb er: „Du durchlebst eine schwere Zeit, vielleicht wird sie noch schwerer. Sie wird Dich ausreifen. Leben und Eigentum gelten nichts mehr. Nur die Seele ist unerreichbar für alle äußeren Mächte. Ihr muss unsere ganze Sorge gelten, damit sie gestärkt und veredelt die ernste Zeit überwindet.“ Die Diözese Rottenburg-Stuttgart sieht Bolz als Märtyrer und hat im Mai ein Verfahren zur Seligsprechung eingeleitet. Wie lange dieses dauert, könne niemand sagen, so Uwe Renz, der Sprecher des Bischofs Gebhard Fürst.

Stadt, Land und Kirche äußern sich vorerst nicht

Dass eine Gedenkstätte gute Chancen hätte, liegt auch an der ungewöhnlich breiten Allianz der Befürworter. So hat sich bereits die Stuttgarter CDU für den Erhalt des Hauses ausgesprochen – Bolz gehörte (dem konservativen Flügel) der Zentrumspartei an, in deren Nachfolge sich die CDU sieht. Es müsse ja nicht das gesamte Gebäude zur Gedenkstätte werden, so CDU-Kreischef Stefan Kaufmann. Auch die grüne Landtagsabgeordnete Muhterem Aras unterstützt das Vorhaben. Die Diözese Rottenburg würde eine solche Gedenkstätte begrüßen. Die Initiative Hotel Silber ist dafür, ebenso unter bestimmten Bedingungen das Haus der Geschichte, das dann womöglich als Betreiber in Frage käme.

Allerdings schweigen bisher genau jene, die letztlich den Ausschlag geben. Das Staatsministerium könne vorerst nichts sagen, teilte dessen Sprecher Arne Braun mit. Bischof Gebhard Fürst wollte sich gegenüber der StZ ebenfalls nicht dazu äußern, ob sich die Diözese finanziell an einer solchen Gedenkstätte beteiligen würde. Und auch die Stadt Stuttgart sei noch in der Abstimmung, so Sprecher Sven Matis.

Tatsächlich gibt es gewichtige Gründe, die den Plan einer Gedenkstätte erschweren oder gar fraglich erscheinen lassen. Erstens ist die 1906 erbaute Villa, in dem bis zu ihrem Tod 2011 die Tochter Mechthild Rupf-Bolz wohnte, im Krieg schwer beschädigt worden. Das Gebäude ist nicht mehr authentisch. Das Landesdenkmalamt hat es jüngst nach einer Prüfung abgelehnt, das Haus als Kulturdenkmal auszuweisen: „Am Gebäude sind die wenigen historisch überlieferten Verbindungen mit dem Wirken Eugen Bolz’ in keiner Weise mehr ablesbar“, so das Fazit der Experten. Zumindest wurde einst das frühere Herrenzimmer Eugen Bolz’ nach Ellwangen ausgelagert; man könnte also ein Zimmer mit fast originalen Möbeln wieder einrichten.

Allein der Erwerb der Villa kostet eine Millionensumme

Zweitens ist das Projekt der Firma Wohnbau-Studio in Heumaden, das auf dem 13 Ar großen Grundstück ein Gebäude mit vier hochwertigen Eigentumswohnungen errichten möchte, weit fortgeschritten und vom Baurechtsamt weitgehend abgesegnet. Die Inhaber, Vater Michael Schaber und Sohn Alexander Schaber, betonen, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst seien und das Finanzielle für sie zweitrangig sei – aber die historische Bedeutung des Hauses sehen sie als gering an. Sie würden deshalb gerne ihr Projekt verwirklichen und im neuen Haus eine Büste von Eugen Bolz aufstellen – oder auch mehr tun für seine Erinnerung: „Wir sind für alle Gespräche offen“, so Michael Schaber.

Drittens kämen auf den Erwerber hohe Kosten zu. Der Preis für die Villa liegt im nicht geringen einstelligen Millionenbetrag, hinzu kämen die Kosten für den Umbau und den jährlichen Betrieb. Da Land und Stadt erst vor Kurzem die Gedenkstätte im Hotel Silber beschlossen haben, und das unter großen Mühen, ist offen, ob sich das Land ein erneutes Engagement vorstellen könnte. Auch Unzufriedenheit in den ehrenamtlichen Gedenkstätten im Land wäre wohl programmiert, da diese weiter finanziell eher schlecht ausgestattet sind.

Zahl der Besucher wäre vermutlich eher gering

Viertens hat das Haus von Eugen Bolz eine schlechte Infrastruktur: In der Nähe gibt es kaum Parkplätze, zudem liegt es weit entfernt von der Innenstadt. Auf Laufpublikum sollte deshalb niemand hoffen. Und fünftens schließlich stellt sich die Frage, ob man eine solche Gedenkstätte so attraktiv gestalten kann, dass genügend Besucher kämen. Das am ehesten vergleichbare Theodor-Heuss-Haus besuchen jährlich 10 500 Menschen. Auch die Eugen-Bolz-Gedenkstätte würde deshalb vermutlich in der Liste der Top-Museen in der Landeshauptstadt eher weit hinten rangieren, wobei Besucherzahlen bei einem solchen Projekt nicht das einzige Kriterium sein dürfen. Dennoch nur zum Vergleich: Das Mercedes-Museum verzeichnete im vergangenen Jahr 711 000 Besucher.