CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn nennt Schwarz-Grün-Gelb ein „spannendes Projekt“. FDP und Grüne reagieren dagegen ziemlich zugeknöpft.

Berlin - Die Verteilung des Bärenfells ist allemal angenehmer als die mühsame Jagd danach. In der Union ist man offenbar so sicher, dass es nach der Bundestagswahl im September politische Beute zu verteilen geben wird, dass bereits die Gedankenspiele beginnen, mit wem denn die künftige Macht am besten zu teilen wäre. Dabei verzeichnet an der Koalitionsbörse derzeit „Jamaika“, also ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen, deutliche Kursgewinne.

 

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn hat diese Debatte am Montag mit einem markigen Satz befeuert: „Wenn es rechnerisch diese Mehrheit gibt, sollte sie genutzt werden.“ Auch der neue schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther sieht das so. Er sieht in dem Dreierbündnis „ein spannendes Zukunftsprojekt“ und findet mit der Formulierung, es handele sich um „die Verbindung von Ökologie und Ökonomie“ gleich eine eingängige Überschrift. Spahn sieht offenbar auch gesellschaftspolitische Spielräume und gibt der auf Bundesebene noch nie ausprobierten Koalition das „Einwanderungsrecht“ als „spannendes Projekt“ vor, das „einen der großen gesellschaftlichen Konflikte endlich befrieden könnte“.

In den Umfragen reicht es nicht für Schwarz-gelb oder Schwarz-Rot

Hintergrund dieser Spekulationen sind die aktuellen Wahlumfragen. Danach kann sich die Union zwar ihres ersten Platzes bei der Bundestagswahl sehr sicher sein. Aber mögliche Zweierbündnisse mit entweder den Grünen oder der FDP stehen im Moment auf wackliger statistischer Grundlage. Es könnte also auf die Alternative „Jamaika oder große Koalition“ hinauslaufen – und vier weitere Jahre mit der SPD wollen in Union wie SPD nur wenige.

Die Frage ist allerdings, ob es klug ist, schon vor der Wahl solche Diskussionen zu führen. Bei der FDP reagierte man am Montag jedenfalls auffallend verhalten auf den Spahn-Vorstoß. Michael Theurer, der Chef der Südwest-FDP, sagte unserer Zeitung, für seine Partei gelte der Grundsatz: „Wir treten keiner Regierung bei, in der wir keine liberalen Inhalte umsetzen können.“ Und genau da sieht er „große Hürden“ für ein Jamaika-Bündnis. Die Grünen wollten „Vermögenssteuer, höhere Erbschaftssteuer, diskutieren das Ende des Verbrennungsmotors und Fahrverbote“. Das alles sei „viel zu dirigistisch“ und mit der FDP nicht zu machen. Wenn also Jamaika möglich werden soll, „müssten sich die Grünen stark bewegen.“ Auch die liberale Generalsekretärin Nicola Beer jubelt keineswegs über die von Teilen der Union offerierte Machtperspektive. Ihre Partei gehe „eigenständig und ohne Koalitionsaussagen in die Bundestagswahl“. Koalitionsspekulationen „bringen das Land nicht voran“, sagte sie unserer Zeitung.

Auch bei den Grünen hält man sich bedeckt. „Koalitionsfragen stellen sich nach der Wahl und nicht vor der Wahl“, sagt der grüne Landeschef Oliver Hildenbrandt. „Den Bundestagswahlkampf wollen wir nicht mit Koalitionsdebatten, sondern mit Themen und Inhalten bestreiten.“

Für viele in der Union kommt die Debatte zu früh

Auch in der Union finden viele die von Spahn und Günther losgetretene Debatte zu früh. „Erst die Wahlen abwarten, dann mit jeder Partei seriös sprechen“, empfiehlt die Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Karin Maag. „Wir sollten uns voll auf den Wahlkampf konzentrieren“, rät Andreas Jung, Chef der Südwest-Landesgruppe der Bundestagfraktion. Von einer „Debatte zur Unzeit“ spricht der Nürtinger Bundestagabgeordnete Michael Hennrich.

Wer genau hinhört, trifft aber auf mitunter überraschende Zwischentöne. Jung, der Bezirkschef in Südbaden, ist jemand, der in der Partei als durchaus offen für grüne Themen gilt. Er sieht zwar „keine unüberwindlichen Hindernissen in der Zusammenarbeit mit beiden Parteien“. Doch er ist von Dreierkoalitionen wenig begeistert: „Jede zusätzliche Partei macht das Regieren schwerer“, sagt er. „Jede Partei will ihre Projekte durchsetzen, und tatsächlich wären es ja mit der CSU vier Parteien.“ Da stelle sich bald die Frage, ob all das „machbar, finanzierbar und mittragbar“ sei. Das führt Jung zu seinem Fazit, „dass man ein Dreierbündnis jedenfalls nicht als Ziel ausrufen sollte“.

Andererseits würde man vermuten, dass der christdemokratische Innenpolitiker Armin Schuster (Wahlkreis Lörrach-Müllheim) gewisse Skepsis gegenüber Liberalen und Grünen hätte. Auf dem Felde der Innenpolitik mag das tatsächlich so sein. Insgesamt fände er aber die Jamaika-Option „reizvoll“. Sein Argument: Eine neuerliche große Koalition sei „erfahren und professionell, aber auch langweilig und eher verwaltend“. Er fände es für die Union gut, „wenn wir aus dieser Getragenheit herauskommen“. Liberale, Union und Grüne könnten sich dagegen „gegenseitig inspirieren“.