Jan Wagner heißt der neue Mörike-Preisträger. Bei der Verleihung im Fellbacher Rathaus wurde der Schriftsteller mit viel Lob überschüttet. Als Förderpreisträger wählte er den Poeten Andre Rudolph.

Fellbach - Er liest sein Eulen-Gedicht ruhig, betont, mit spannungsreichen Akzenten, fester, sympathischer Stimme. Die Gäste aus Presse und Fernsehen im Stadtmuseum schlägt Jan Wagner, der neue Mörike-Preisträger, mit seinem Sprachspiel und hintergründigen Naturbildern geradezu in seinen Bann. Lyrik führt in unserer Zeit ein Schattendasein, doch der preisgekrönte Dichter rückt die Form in ein neues Licht: Für ihn ist gerade die Lyrik die aufregendste Gattung, die die deutsche Literatur derzeit zu bieten hat: „Es wimmelt geradezu von großartigen Dichtern seit etwa 15 Jahren“, sagt er.

 

Die kleine Kunstform bekommt mehr Aufmerksamkeit

Die Öffentlichkeit beginnt, dies wahrzunehmen. Die Verleihung des Mörike-Preises durch Oberbürgermeister Christoph Palm am Mittwochabend im Fellbacher Rathaus an Jan Wagner unterstreicht eine wachsende Aufmerksamkeit auf die kleine Kunstform. Noch mehr war es eine Sensation, dass der Hamburger Dichter im März mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde. Wobei Palm wichtig ist zu bemerken, dass die Leipziger Entscheidung zu einem Zeitpunkt kam, als sich die Fellbacher ihren Reim bereits gemacht hatten. Lothar Müller, der Literaturkritiker der Süddeutschen Zeitung, hatte als Vertrauensperson der Stadt seine Entscheidung für Jan Wagner bereits im Dezember vor der Presse begründet: „Mit bewundernswerter Konsequenz und nie versiegendem Einfallsreichtum verjüngt Jan Wagner in Lyrik und Essay die Traditionen der Poesie von der Antike bis zur klassischen Moderne. Seine Gedichte leben eben so sehr vom freien Spiel mit der Sprache wie von der Lust an der strengen Form, sie öffnen die Augen für die Natur wie für die Rätsel der Dinge.“

Jan Wagner hängt ein Porträt im Stadtmuseum auf

Es zeigte sich somit, dass sich ein weiteres Mal die Reihe glücklicher Entscheidungen zum Mörike-Preis fortsetzt. Zu den acht berühmten Vorgängern hängte Jan Wagner gestern selbst ein Porträt von sich im Preisträgerraum des Mörike-Kabinetts im Stadtmuseum auf. Er hat ein Werk der Fotografin Maria Sewcz ausgewählt. Von ihr sind noch bis 10. Mai Bilder in der Städtischen Galerie zu sehen.

Demnächst werden die sechs Gedichtbände Jan Wagners, zuletzt die zum Bestseller mutierten „Regentonnenvariationen“, die Handbibliothek des Stadtmuseums anreichern. Ein Stempel aus seinem Fundus illustriert – unter Glas präsentiert – die Leiden eines jungen Dichters: Jan Wagner hatte bis 2003 eine Literaturzeitschrift als lose Blätter in einer Schachtel herausgegeben, mit seinem Co-Herausgeber von Hand beklebt und gestempelt in der Auflage von 1000 Stück: „Für jede Ausgabe wurde ein Stempel gefertigt mit einem meist geistreichen, stets aber die Neugier weckenden Schlagwort. ,Serpentinenweisheit’ – das Wort leuchtete magisch vom braunen Deckel in die Berliner Nacht und versöhnte uns mit den nach tausend Handgriffen schmerzhaft angeschwollenen Gelenken.“

Die Preisträger werden mit Lob überschüttet

Statt nächtlicher Fron darf sich Jan Wagner jetzt zur Preisübergabe im Scheinwerferlicht positionieren, überschüttet von Lob, wie es aus den Worten von Kulturamtsleiterin Christa Linsenmaier-Wolf spricht. Sie nennt ihn einen „würdigen Nachfolger Mörikes in seiner sprachlichen Bilderkräftigkeit und Musikalität“. Kritik aus dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, der wohl politische Relevanz vermisste, wischt er selbstbewusst vom Tisch: „Großartig sind Gedichte, die man auch in 40 Jahren noch lesen kann. Dichtung ist nicht dafür zuständig, die Politik von gestern analytisch zu durchdringen. Ein Gedicht stellt andere Fragen als ein Leitartikel.“ Dass Lyrik einen Nagel oder eine Seife betrachtet, schließe im übrigen nicht aus, dass die furchtbaren Ereignisse unserer Zeit mit drin steckten.

Als Förderpreisträger wählt Jan Wagner den Leipziger Poeten Andre Rudolph. Dieser habe, als er ihn 2006 kennenlernte, „gleich erstaunt und ihn in Beschlag genommen durch seine Gewitztheit, die stimmigen Bilder, die er setzt, und durch seine originelle charmante Art“. Wagner bekennt: „Mir war sofort klar, dass der Förderpreis ihm zugesprochen werden sollte.“