Zehntausend Menschen sollen damals auf den Pragfriedhof gekommen sein, mehr als zur Beerdigung von Ferdinand Graf von Zeppelin an gleicher Stelle. Der Legende nach standen die Trauernden sogar bis hinunter auf den Schlossplatz, um Abschied von ihrem "Sutterle" zu nehmen. Sie liegt direkt am Eingang an der Martinskirche in erster Reihe, bevorzugte Lage, auf ihrem pompösen Grab ranken zwei wilde Rosen.

Noch bis Ende der 60er Jahre wurde ihr fast jeden Tag ein Blumenstrauß gebracht, von einem unbekannten Verehrer, wie es damals immer hieß. So unbekannt sei der aber nicht gewesen, sagt Herbert Medek, der seit Jahrzehnten Touristen und Einheimische zu den historischen Plätzen der Stadt führt. Nicht nur er ist sich sicher, dass die Blumengrüße vom letzten Liebhaber Anna Sutters stammen, dem 1970 verstorbenen Opernsänger Albin Swoboda.

Mit ihm, dem Neuen im Stuttgarter Ensemble, lag Anna Sutter an jenem verhängnisvollen Vormittag im Bett. Um den ungeliebten Besucher, den Hofkapellmeister Obrist, nicht noch mehr zu reizen, habe die Sutter ihn wohl gedrängt, sich im Schlafzimmerschrank zu verstecken, sagt Georg Günther. Was er dort im Verborgenen miterleben musste, hat er nie überwunden. Aus Briefen und Gesprächen mit Kollegen gehe hervor, so Günther, dass Albin Swoboda sich sein Leben lang heftigste Vorwürfe machte, die Tat nicht verhindert zu haben.

Der Schicksalsbrunnen vor dem Opernhaus, vom Stuttgart Bildhauer Karl Donndorf geschaffen, gilt als letzte Hommage an Anna Sutter, als Andenken und Abschiedsgruß an Stuttgarts schillerndste Opernsängerin. Auch wenn der Musikhistoriker Günther bei seinen Recherchen keinen handfesten Beleg dafür gefunden hat, dass der 1914 eingeweihte Jugendstilbrunnen tatsächlich der Operndiva gewidmet wurde.

Der Stadthistoriker Medek hat daran keinen Zweifel. "Der Bildhauer und die Sängerin waren gleich alt und befreundet", sagt er, und der Brunnen habe ursprünglich direkt vor dem Künstlereingang gestanden. Und auch sonst fehlt es nicht an Symbolik. So hat Donndorf zwei Liebespaare in den Marmor gehauen, die für Freude und Leid stehen, in ihrer Mitte thront ungerührt die Schicksalsgöttin. Unter ihrem steinernen Blick erzählt Herbert Medek bei seinen Führungen immer die Geschichte von Anna Sutter, nach deren Tod ein blühender Devotionalienhandel einsetzte. Und er liest stets auch die Zeilen vor, die in den Brunnen eingelassen sind: "Aus des Schicksals dunkler Quelle, rinnt das wechselvolle Los. Heute stehst Du fest und groß, morgen wankst Du auf der Welle."

Das Stück "Projektion Carmen - Der Fall Anna Sutter" wird vom 3. bis 9. Juli im Alten Landtag in der Heusteigstraße gezeigt.

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