Der Angeklagte im Fall Nadine E. hat in der Zelle einen Abschiedsbrief hinterlassen. Zu klären ist nun vor allem, ob der Suizid hätte verhindert werden können.

Ludwigsburg - Nachdem der Angeklagte im Fall Nadine E. sich in der Nacht auf Montag das Leben genommen hat, haben die Untersuchungen zum Tod des 43-Jährigen begonnen. Wie in solchen Fällen üblich, hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein sogenanntes Todesermittlungsverfahren eingeleitet, in dem die genauen Umstände des Ablebens beleuchtet werden sollen. Der Ehemann von Nadine E. war am Montagmorgen leblos in seiner Gefängniszelle in Stuttgart-Stammheim gefunden worden – er war angeklagt, seine Frau im Oktober 2015 getötet zu haben.

 

Zu klären ist nun vor allem, wie es zu dem Selbstmord kommen konnte. Denn der Mann hatte bereits im Sommer 2015 angekündigt, sich das Leben nehmen zu wollen, war anschließend von der Polizei aufgegriffen und mehrere Tage in einer psychiatrischen Klinik behandelt worden. Zum Auftakt des Gerichtsverfahrens am 9. Januar hatten seine Verteidiger zudem erklärt, ihr Mandant habe massive psychische Probleme.

Nach Angaben des Gefängnisleiters Matthias Nagel indes war der Angeklagte während seiner mehr als fünfmonatigen Untersuchungshaft psychisch nicht auffällig gewesen, er sei zudem vom psychologischen Dienst in der Justizvollzugsanstalt (JVA) gut betreut worden. Für eine mögliche Verlegung in das Gefängniskrankenhaus auf dem Hohenasperg habe es daher „keinen Anlass“ gegeben, meint Nagel. Das Verhältnis des 43-Jährigen zum Wachpersonal sei ebenfalls gut gewesen.

In einem Abschiedsbrief bestreitet der Angeklagte die Vorwürfe

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten vorgeworfen, Nadine E. getötet und die Leiche seiner Frau in einem Gebüsch nahe der S-Bahn-Gleise in Ludwigsburg abgelegt zu haben. Der 43-Jährige hat die Vorwürfe stets bestritten und seine Unschuld beteuert – bis zuletzt: Nach Informationen dieser Zeitung wurde am Montag bei der Leiche ein Abschiedsbrief gefunden. In dem Schreiben, das an seine Angehörigen gerichtet ist, betont der Angeklagte offenbar, seiner Frau nichts angetan zu haben. Offiziell bestätigen will die Staatsanwaltschaft den Fund nicht.

Eine Obduktion des Leichnams wird es aller Voraussicht nach nicht geben, denn es deutet bislang nichts auf eine Fremdbeteiligung hin. Nach Angaben der Gefängnisleitung hat sich der Mann mit Stoffteilen erhängt. Nach Informationen dieser Zeitung verwendete er dabei indes zusätzlich einen Gürtel – der Besitz dieses Gürtels war ihm in seiner Haft gestattet worden.

Der Angeklagte wusste, dass er nicht auf freien Fuß kommt

Die Verteidiger des Ludwigsburgers hatten zuletzt beantragt, ihren Mandanten vorzeitig aus der Haft zu entlassen, da es keine Anhaltspunkte für dessen Schuld gebe. Dies sahen die Staatsanwaltschaft, vor allem aber die 9. Schwurgerichtskammer anders: Sie wiesen den Antrag in einer 22-seitigen Begründung zurück und sahen weiterhin einen „dringenden Tatverdacht“. Obwohl es sich bei der Entscheidung der Kammer um eine vorläufige Bestandsaufnahme handelt, werten Prozessbeobachter dies als deutlichen Fingerzeig auf ein mögliches Urteil – der dem Angeklagten offensichtlich bewusst war.

Verschickt wurde die Entscheidung der Richter am 1. Februar. Dass er sich deshalb das Leben nahm, glaubt seine Verteidigerin Amely Schweizer nicht. Vielmehr sei ihr Mandant durch das Verfahren und den Druck der Öffentlichkeit „über die Maßen“ belastet gewesen, sagt sie. Die Anwältin fordert, die Ermittlungen gegen Unbekannt wieder aufzunehmen.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist der Fall abgeschlossen.