Nach der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY - ungelöst" gab es 31 neue Hinweise im Mordfall Tobias. Ein Zeuge wurde noch am Abend vernommen.

Böblingen - Aufregung verbreitete sich in der Nacht bei der Böblinger Polizei. So recht hatte keiner der Ermittler mehr an bahnbrechende Erkenntnisse geglaubt. Frustrierend und glücklos war Arbeit der inzwischen eingestellten Soko "Weiher". Die 500.000 Euro teuren Ermittlungen hatten in die Sackgasse geführt. Doch nun gibt es neue Hoffnung: Bis Redaktionsschluss meldeten sich beim ZDF und der Kripo 31 Fernsehzuschauer.

 

Am wichtigsten war der Anruf eines 19-jährigen Mannes. Er sei es gewesen, der sich am 27. Juli 2001 auf dem Friedhof in Weil im Schönbuch nach dem Grab von Tobias erkundigte - "aus Neugierde und Betroffenheit". Monatelang war der unbekannte Blonde die große Hoffnung der Kripo. War er der Täter? Oder hatte er mit dem Fall doch nichts zu tun? Noch am Abend wurde der 19-Jährige als Zeuge vernommen. "Er gab freiwillig eine Speichelprobe ab", so ein Sprecher der Polizei gegenüber der StZ. Mehrere Hinweise erhielt die Kripo auch auf jenen Unbekannten mit Schnauzbart, der am Tag der Tat gegen 12 Uhr am Seeufer rauchte. Der Name dieses Zeugen war der Polizei jedoch noch unbekannt.

Zur Primetime hatte das ZDF einen Bericht über den Mordfall ausgestrahlt, der sich am 30. Oktober 2000 in eine Serie von Verbrechen an Kindern einreihte. Kinder als Opfer - auch wenn Redaktionsleiterin Ina-Maria Reize noch so sehr um eine dezente Darstellung des Verbrechens am Weiler Dörschachweiher bemüht war, Moderator Rudi Cerne konnte seine Erschütterung kaum verbergen. Er hat selbst eine elfjährige Tochter. Der Film zeigte Tobias am ersten Herbstferientag, fröhlich mit seinem Bruder; Tobias, der sein blaues Mountainbike schnappt und zum Anglersee radelt; Tobias, der nicht nach Hause kommt. Die schlichten, aber atemlosen Szenen hatte die Kriminalfachredaktion in München fürs ZDF drei Dezembertage lang an einem bayerischen See nachgestellt. Die Authentizität war Nebensache, auch aus Rücksicht auf die Eltern des Opfers. Dass beim Drehen bereits Schnee lag, störte immer wieder in dem zehnminütigen Beitrag.

Die Menschen in Weil im Schönbuch haben Angst

Tobias' Mutter wird unruhig, sucht ihren Sohn an seinem Lieblingsspielplatz am Fischteich - vergeblich. Die Verzweiflung bei den Eltern steigt. Der Vater geht zum See und entdeckt Angel, Köder und Fahrrad seines Jungen, schreit ins Dunkel und alarmiert per Handy zwei Streifenbeamte. An einem Baum findet das Trio schließlich die Leiche.

Bis zu sieben Millionen Zuschauer sahen den Film sowie vier Phantombilder. Während die Bilder liefen, berichtete ein Sprecher über die Sisyphusarbeit der 40-köpfigen Soko "Weiher". Die Stimme riss den weltweit zweitgrößten Speichelprobentest mit 10.952 Analysen an, die vorübergehende Festnahme eines 16-Jährigen aus dem Ort, die hunderte von Spuren, die sich allesamt im Nichts verlieren. Was der Film weitgehend ausließ, sind die grausamen Verletzungen, die der Täter Tobias zufügte. Kurz nach dem Verbrechen sprach deswegen eine Vertreterin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft gar von einem "Blutrausch". Dafür schlich sich die Angst ins Bild. Der Täter - einer von uns? Schlägt er noch mal zu? So haben sich viele Menschen in Weil im Schönbuch gefragt.

Bei der Spätausgabe von "Aktenzeichen XY" machte Jürgen Schüßler, Hauptsachbearbeiter im Fall Tobias, einen ermutigten Eindruck. "Nun sind Sie einen schönen Schritt weiter", so Moderator Cerne mit Blick auf die Hinweise. Diese werden weiterhin unter Telefon 0 70 31/13 20 20 entgegen genommen.