Für den Generalstaatsanwalt ist bei den Ermittlungen im Fall Tobias alles korrekt gelaufen. Er hat die zweite Beschwerde der Eltern zurückgewiesen.  

Böblingen - Das Ermittlungsverfahren gegen einen Tatverdächtigen im Mordfall Tobias ist aus Sicht der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart zu Recht eingestellt worden. Die Ermittlungen hätten keinen hinreichenden Verdacht für eine Anklage gegen den zur Tatzeit 16-Jährigen ergeben, der sich durch inzwischen widerrufene Geständnisse selbst belastet hatte.

 

Die Behörde wies damit eine erneute Beschwerde der Eltern zurück, deren elfjähriger Sohn Tobias im Oktober 2000 in Weil im Schönbuch ermordet worden war. Petra und Willi Dreher reagierten enttäuscht auf den gestrigen Befund der Generalstaatsanwaltschaft.

"Ich verstehe nicht, wie man so entscheiden kann", sagt Willi Dreher. "Für mich ist das Wissen des Tatverdächtigen weiter unerklärlich." Der Vater des Opfers spricht von Pannen. "Ich bleibe dabei, dass die Ermittlungsbehörden Fehler gemacht haben."

"Wir gehen den Klageweg"

Dreher kündigt an, dass er nicht aufgeben wolle. "Wir gehen den Klageweg." Der Familie und ihren Anwälten steht das so genannte Klageerzwingungsverfahren offen. Sie müssen nun beim Stuttgarter Oberlandesgericht einen entsprechenden Antrag stellen.

Dafür seien die Hürden jedoch "sehr hoch", betont Rainer Christ, der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Erfahrungsgemäß liegt die Erfolgsquote bei zwei Prozent. Seine Behörde hat die Beschwerde im Wesentlichen aus vier Gründen abgewiesen:

1. Das Täterwissen des Verdächtigen, der aus dem Ort stammt, sei "nicht hinreichend tragfähig". Es enthalte zwar Details, die mit dem objektiven Tatortbefund übereinstimmten, andere Aussagen stünden jedoch im "eindeutigen Widerspruch" dazu.

2. Das zweite Geständnis gegenüber einem Kinderschutzbeauftragten am 2. Juni 2006 habe er ebenso widerrufen (,,Ich habe nur Scheiße erzählt. Das stimmt alles nicht. Ich habe Tobias nicht umgebracht"), wie jenes vom 9. November 2000 bei der Kripo Böblingen, wo er sagte, Tobias "wahrscheinlich aus Versehen" getötet zu haben.

3. Ein psychiatrisches Gutachten sei "nicht Erfolg versprechend", zumal sich der Beschuldigte schon einmal auf Anraten seines Anwalts erfolgreich einer Untersuchung durch den Stuttgarter Kinderpsychologen Reimar Du Bois entzogen habe.

4. Die Spuren bei Tobias (Blut und Fasern) könnten nicht dem Verdächtigen zugeordnet werden, obwohl selbst das Flusensieb der Waschmaschine der Familie des damals 16-Jährigen geprüft worden sei. Das Fazit der Strafverfolger: leider habe die "schreckliche Tat" vom 30. Oktober 2000 nicht aufgeklärt werden können, aber die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren "zu Recht" eingestellt. Der Behördensprecher Christ räumt ein, dass auch er "nicht mit letzter Sicherheit" sagen könne, ob der heute 22-Jährige der Täter war oder nicht. Nach den "sorgfältigen" Ermittlungen habe es aber keinen ausreichenden Tatverdacht gegeben, der eine Anklage zugelassen hätte.

"Pladoyer für den Beschuldigten"

Die Anwälte der Familie Dreher teilen diese Ansicht nicht. Der Leonberger Jurist Hans-Peter Schmitt spricht von einem "Plädoyer für den Beschuldigten", das er in dem "nicht schlüssigen" Schriftsatz des Generalstaatsanwalts gelesen habe. Die Behörde habe auf zwölf Seiten alles zusammengesucht, was den Tatverdächtigen entlaste.

Auch sein Filderstädter Kollege Frank Schwemmle äußert den Verdacht, dass "man einfach nicht weiterermitteln wollte". Dazu passt für ihn der Umstand, dass die Strafverfolger die weiterhin bestehenden Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs, die gegen den Beschuldigten gerichtet sind, in keinem Zusammenhang mit dem Mordverdacht sehen und seiner Ansicht nach nur schleppend behandeln.

Wie berichtet, werden dem 22-Jährigen mindestens neun Missbrauchsfälle zur Last gelegt. Einige datieren aus der Zeit nach dem Mord am kleinen Tobias. "Es liegt auf der Hand", sagt der leitende Oberstaatsanwalt Christ, "dass dem Jungen geholfen werden muss". Die Frage ist nur wie.