Michail Chodorkowski gerät erneut ins Fadenkreuz der russischen Ermittler. Gegen den Kremlkritiker und Ex-Ölmagnaten wurde am Mittwoch Haftbefehl erlassen. Der Vorwurf: Mord.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Moskau - Michail Chodorkowski gerät erneut ins Fadenkreuz der russischen Ermittler. Gegen den Kremlkritiker und Ex-Ölmagnaten wurde am Mittwoch Haftbefehl erlassen. Der frühere Besitzer des zerschlagenen Konzerns Yukos sei zur internationalen Fahndung ausgeschrieben, teilte die Ermittlungsbehörde in Moskau mit. Der Schritt war erwartet worden, nachdem Russland Chodorkowski Mitte Dezember offiziell beschuldigt hatte, 1998 die Ermordung des Bürgermeisters der sibirischen Stadt Neftejugansk organisiert zu haben. Chodordkowski weist die Anschuldigungen zurück. „Sie sind verrückt geworden“, kommentierte der 52-jährige Geschäftsmann auf seiner Webseite den Haftbefehl. Er bezeichnet das Verfahren als „politisch motiviert“.

 

Der Kreml distanziert sich

Der Kreml hat sich allerdings laut der Online-Plattform “Sputnik” von dem neuen Haftbefehl gegen Michail Chodorkowski distanziert. Pressesprecher Dmitri Peskow sehe keinen Widerspruch zwischen der Begnadigung des Ex-Oligarchen durch Präsident Wladimir Putin vor zwei Jahren und dem neuen Haftbefehl. Die Entscheidung zur Begnadigung sei dem Staatschef überlassen, doch die Entscheidung zu Ermittlungshandlungen und insbesondere zur Fahndungsausschreibung „wird nicht vom Staatschef, sondern von den Ermittlungsbehörden getroffen“, sagte Peskow.

Kritiker sehen allerdings durchaus eine Verbindung zwischen dem Kreml und dem jetzt ausgestellten Haftbefehl. Sie vermuten, dass die politischen Aktivitäten Chodorkowskis den Machthabern zunehmend ein Dorn im Auge waren.

Neuer Ärger für den Putin-Kritiker

Schon seit längerer Zeit deutet sich an, dass dem Putin-Kritiker neuer Ärger ins Haus steht. Russische Ermittler haben Anfang dieser Woche Wohnungen von sieben Angestellten des im Exil lebenden Kreml-Kritikers durchsucht. Hintergrund sei ein Strafverfahren von 2003 gegen Chodorkowski, teilte die von ihm finanzierte Stiftung „Offenes Russland“ in Moskau mit. Dabei gehe es um die Privatisierung des Bergwerks- und Düngemittelunternehmens Apatit, die vom Staat als illegal eingestuft wurde. Die Stiftung „Offenes Russland“ veröffentlicht immer wieder Berichte über die Lage in Russland und setzt sich für freie Wahlen ein.

Die russische Justiz will Michail Chodorkowski jetzt auch wegen eines Mordfalls aus dem Jahr 1998 anklagen – das ist jener Fall, weswegen nun Haftbefehl erlassen wurde. Der einst reichste Mann Russlands wird beschuldigt, den Mord an einem Bürgermeister in Sibirien „organisiert“ zu haben. Es heißt, die ermittelnden Behörden hätten neue Beweise rund um den Vorwurf der „Organisation“ von Mord und versuchtem Mord von mehr als zwei Menschen. Chodorkowski wird vorgeworfen, den Mord an dem Bürgermeister der sibirischen Stadt Neftejugansk in Auftrag gegeben haben, weil dieser Yukos der Steuerhinterziehung bezichtigt hatte. Auch des versuchten Mordes an einem Leibwächter des Bürgermeisters sowie eines weiteren Geschäftsmannes wird Chodorkowski bezichtigt.

Keine Angst vor Auslieferung

Eine Sprecherin von Chodorkowski erklärte, der frühere Oligarch habe „keine Angst, dass er ausgeliefert werden könnte“, wie die Nachrichtenagentur RIA Novosti berichtete. Sie hob gegenüber der Nachrichtenagentur AFP auch hervor, dass Chodorkowski nicht auf die Fragen des Ermittlungskomitees antworten werde. Er werde sich nicht „an dieser Farce“ beteiligen. Die neuen Schritte der russischen Justiz nannte sie „illegal“.

Chodorkowski war im Jahr 2003 in Russland festgenommen und später wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu jahrelanger Lagerhaft verurteilt worden. Die Prozesse wurden vom Westen als politisch motiviert kritisiert. Ende 2013, wenige Wochen vor den Olympischen Winterspielen im russischen Sotschi, wurde Chodorkowski überraschend von Russlands Präsident Wladimir Putin begnadigt.

Chodorkowski provoziert den Kreml

Chodorkowski hatte damals zunächst versichert, sich nicht in die Politik in Russland einmischen zu wollen, gründete dann aber eine Bewegung zur Sammlung der schwachen pro-europäischen Kräfte in Russland. Zuletzt wurden die öffentlichen Äußerungen Chodorkowskis immer provozierender. Jüngst sagte der Ex-Yukos-Chef in London, dass die Tage des Putin-Regimes gezählt seien und in Russland eine „friedliche Revolution“ unvermeidlich sei. Die Staatsanwaltschaft erklärte daraufhin, dass sie diese Worte als „öffentlichen Aufruf zu einer gewaltsamen Änderung der verfassungsmäßigen Ordnung“ werte.

Ebenfalls gegen Chodorkowski richte sich auch ein von Präsident Wladimir Putin jüngst unterzeichnetes Gesetz, mit dem Russland Entscheidungen internationaler Gerichte außer Kraft setzen kann. Die Novelle richtet sich Kritikern zufolge vor allem gegen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Der Hintergrund: europäische Gerichte hatten Russland im Fall um den zerschlagenen Ölkonzern Yukos des Ex-Oligarchen Chodorkowski zu Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe verurteilt.