Leser Karl-Heinz Geier reiste mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Peking

Am Jaroslaver Bahnhof in Moskau beginnt um 23.45 Uhr Ortszeit unser Abenteuer Transsib. Mit einem Regelzug der russischen Bahn liegen 5191 Kilometer – oder die ersten vier Tage – durch Wald- und Gebirgslandschaften bis Irkutsk, unserem ersten größeren Reiseziel, vor uns. Wir überqueren dabei den Ural, der die Grenze zwischen Europa und Asien bildet. Wir passieren die Städte Perm, Jekaterienburg, Omsk und Novosibirsk.

Die Landschaft ist geprägt durch die vielen Wälder, vor allem mit Birken, und den wenigen russischen Dörfern. Je weiter die Fahrt nach Osten geht, um so ärmer werden die Dörfer mit ihren Holzhäusern. Für uns verkörpern sie das typische Russland, so wie man es sich vorgestellt hat. Die Abteile in den Wagen sind einfach ausgestattet. Es ist ja kein Luxuszug, hier fahren noch die Einheimischen mit. Die Leute können sich direkt auf den Bahnhöfen versorgen, da die Hausfrauen zu Hause Essen gekocht haben und auf den Bahnsteigen verkaufen. Die Schaffner – jeder Wagen hat einen – sorgen dafür, dass das Wasser im Samowar, für Tee und Kaffee, nie kalt wird. Auch achten sie darauf, dass niemand Fremdes den Zug betritt und dass niemand verloren geht.
Nach vier Tagen Zugfahrt durch die Taiga kommen wir nach Irkutsk. Irkutsk gehört ohne Zweifel zu den interessantesten und schönsten Städten Sibiriens, nicht umsonst nennt man sie „Paris Sibiriens“. Hier wird der Zug gewechselt, wir fahren jetzt zur russisch-mongolischen Grenze. Nach stundenlanger Fahrt am Baikalsee entlang ändert sich auf einmal die Landschaft. Sie wird unwirklicher, langsam breitet sich die Steppe aus. An der Grenze zur Mongolei wartet die erste Überraschung: sechs Stunden lang Kontrollen, Zettel ausfüllen, Stempel drauf. Währenddessen sind alle Toiletten abgeschlossen, und niemand darf den Zug verlassen. Offensichtlich richtet die Aktion sich nicht gegen uns Ausländer, denn in dem Zug sind vor allem Russen, Mongolen und Chinesen.
Am nächsten Morgen treffen wir in Ulan-Bator ein, der Hauptstadt der Mongolei. Hier prägen buddhistische Tempel die Gegend. Auch die Landschaft hat eine besondere Note. Man kann sich die unendliche Weite kaum vorstellen: nur Gras, kaum ein Baum, ab und zu ein paar Nomaden mit ihren Tieren und Jurten. Die Einfachheit, mit der die Menschen leben, ist für uns Europäer unvorstellbar. Die Gastfreundschaft wird aber sehr gepflegt. In einer Jurte reichen uns ein paar Mongolen ihr Essen. Hefebrot, Butterschmalz, getrockneter Quark und grüner Tee.
Am nächsten Morgen fahren wir nach Datong, der ersten größeren chinesischen Stadt. Auf dem Weg dorthin ändert sich ständig die Landschaft, von sattem Grün über die Steppe bis zu den Ausläufern der Wüste Gobi. An der chinesisch-mongolischen Grenze wieder dieselben Schikanen wie ein paar Tage zuvor. Während der Kontrolle sehen wir dem Wechseln der Achsen zu, da Russland und die Mongolei eine andere Spurbreite haben. In Datong, einer Provinzstadt mit mehr als einer Million Einwohnern, bekommt man das ursprüngliche China zu Gesicht. Es gibt kaum Touristen, so dass wir richtig bestaunt werden. Viele Menschen wollen sich unbedingt mit uns „Langnasen“ fotografieren lassen.

Nach diesen Eindrücken ging es mit einem neuen Zug nach Peking, einem Moloch, der seinesgleichen sucht. Schon allein im Bahnhof konnte man sich ohne Führer verlaufen. Nun hatten wir 7865 interessante Kilometer hinter uns. Zu bestaunen war der Kaiserpalast, die Verbotene Stadt mit ihren vielen Tempeln und Toren. Außerhalb der Platz des himmlischen Friedens, wo der Wunsch nach Demokratie mit Panzern niedergewalzt wurde. Erwähnen muss man aber auch das moderne Peking, Hochhäuser und das Olympiagelände mit dem Olympiastadion, dem „Vogelnest“.
Am vorletzten Tag sahen wir uns die Chinesische Mauer an, sie liegt etwa 60 Kilometer außerhalb von Peking. Steil geht es auf der Mauer bergauf und bergab. Die Chinesen sagen: Wer noch nicht die Mauer erklommen hat, war noch nicht in China.