Gesundheitsvorsorge auf die ungesunde Tour: der Ex-Musiker und Extremsportler Joey Kelly versucht sich als Motivator bei Valeo in Bietigheim-Bissingen.

Szene - Jeans, schwarzes Sakko, die rötlich blonden Haare streng nach hinten gegelt, wo sich ein kleines Zöpfchen krümmt: dynamisch und mit smartem Lächeln auf den Lippen schreitet Joey Kelly, 42, aufs Podium. Er ist gekommen, um zu den Mitarbeitern der Valeo Schalter und Sensoren GmbH in Bietigheim zu sprechen. Darüber, wie man seine Ziele erreicht, wie man die Grenzen sprengt, frei nach seinem Motto: „No Limits“. Das Unternehmen hat ihn eingeladen, weil es „im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements regelmäßig attraktive Aktionen“ anbieten will, heißt es in der Presseeinladung zum Vortrag am Montagabend. Valeo hatte mit 250 Mitarbeitern in der Aula gerechnet. Es kamen nur rund 150.

 

Da steht er also, live und in Farbe, der vielfach in Talkshows eingeladene Referent und Motivationstrainer. Er steht auf einer Kiste, damit man ihn mit seinen 1,72 Metern besser sehen kann. 163 Anmeldungen von Valeo zum Bietigheimer Firmenlauf gebe es schon, hat gerade eine Mitarbeiterin gesagt. „Aber es gilt, die Marke von 170 im letzten Jahr zu knacken.“ Doch Kellys Vortrag macht nicht unbedingt Lust aufs Laufen. 250 Kilometer Ultra-Marathon, Extrem-Marathon bei sengender Hitze in der afrikanischen Wüste – Ironman? Quatsch: Ultraman! Kelly berichtet, wie er beim Wüstenmarathon „am Anfang gleich die ganze Nacht durchgekotzt habe“, wie er trotz Fiebers und Dehydrierung „einfach weitergelaufen“ sei und am nächsten Tag „die Krankheit in die Wüste geschickt“ habe.

„Beschwert Euch bei den Italienern!“

Später referiert Kelly auch über die Erfolgsgeschichte seiner Familie: die vielköpfige Kelly Family füllte in den 1990er Jahren Stadien mit ihrem Crossover-Schmuse-Folk-Pop. Angefangen habe alles, nachdem die Familie in Italien bestohlen worden sei und der Vater die Devise ausgegeben habe: singen, um zu überleben. „Allen, die die Kelly Family nicht leiden können, sag ich deswegen immer: beschwert Euch bei den Italienern.“ Sprüche wie diesen präsentiert Kelly derart stakkatoartig, dass man meinen könnte, es stehe ein Pointen-Maschinengewehr auf der Bühne.

Zwischendurch gibt es Filmchen, auf denen abwechselnd drei Dinge zu sehen sind: Joey Kelly bei einem aberwitzigen Extremsport-Event, die Kelly Family, Joey Kellys Blasen und Schwielen an den Füßen nach einem anderen aberwitzigen Extremsport-Event. Nun liegen die Parallelen zwischen Leistungssport im Speziellen und der menschlichen Existenz im Allgemeinen auf der Hand: man darf es bekanntlich als Höchstleistung betrachten, wenn es gelingt, morgens aufzustehen, die Schuhe zuzubinden und sich tollkühn in den Alltag zu stürzen. „Das ganze Leben ist Marathon“, sagt Kelly dazu.

Disziplin! Leidenschaft! Ausdauer!

Doch wer sich vom bekennenden „Schwachsinnigen“ (Kelly über Kelly) Ausführungen in diese Richtung, eine Anleitung gar, erhofft hatte, wird enttäuscht. Außer Heldengeschichten und Allgemeinplätzen wie dem Hohelied auf Disziplin, Leidenschaft, Ausdauer und eisernen Willen hat Joey Kelly wenig zu bieten. Tolle Unternehmen, so wie Valeo, gebe es in Baden-Württemberg etliche, dort würden „hohe Ziele“ gesteckt – das ist der einzige Bezug zur Arbeitswelt, den der Referent herstellt. Das Thema Gesundheitsprävention schneidet er gegen Ende dann auch noch an: „Ist das eigentlich gesund, was ich da mache? Nein!“

Der Applaus fällt dennoch freundlich aus.