Im Gegensatz zu fast allen seinen Kollegen aus der deutschen Olympia-Mannschaft bereitet sich Manuel Fumic ohne festen Trainer auf seine vierten Spiele vor. Für den Mountainbiker aus Kirchheim/Teck ist das eine ganz bewusste Entscheidung.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Kirchheim/Teck - Gebräunte Haut, drahtiger Körper, silberne Haare, in denen nicht selten eine Sonnenbrille steckt, wie sie auch ein hipper Teenager tragen könnte. Keine Frage, dieser ältere Herr kann eines besonders gut: So aussehen, als bestehe das Leben nur aus Urlaub. Dabei hat er ganz andere Geschichten zu erzählen. „Ich habe Tag und Nacht gearbeitet“, erinnert sich Marko Fumic an die Zeit, als sein Ältester, Lado, begann, das Fahren auf dem Mountainbike als Leistungssport zu betreiben. Woran er sich auch erinnert: Warum der Bub damals aufs Rad umgestiegen ist. „Beim Tennis hat er immer das Doppel verloren“, sagte der Papa, „dann wollte er unbedingt einen Sport ausüben, bei dem er allein für seine Leistung verantwortlich ist.“ Lado hat dann Bücher gewälzt, viel über Training gelernt und es so zum besten Mountainbiker Deutschlands geschafft. Mittlerweile hat er seine Karriere beendet. Nun ist es sein Bruder Manuel, der die Rolle als Einzelkämpfer fortführt.

 

Aber was heißt schon „nun“? Seit vielen Jahren fährt Manuel Fumic bereits in der Weltspitze, er war Vizeweltmeister vor drei Jahren, 2004 war er bei den Spielen von Athen dabei (8. Platz), 2008 in Peking (11.), 2012 in London (7.), in Rio de Janeiro startet er zum vierten Mal in ein olympisches Mountainbikerennen. Und was heißt schon „Einzelkämpfer“?

„Ein klassisches Trainer-Athlet-Verhältnis ist einfach nicht mein Ding“

In Fumics Fall zunächst einmal überhaupt nicht, dass er sich als Einzelgänger versteht. Wer das denkt, der wird spätestens dann eines besseren belehrt, wenn er den Mountainbiker in seinem engeren Umfeld erlebt. Mit seiner Frau und den beiden Kindern lebt er in einem Häuschen in Kirchheim/Teck, dort genießt er nicht nur die Nähe zur Natur und den Trainingsgebieten („Hier kann ich auftanken“), sondern empfängt auch Gäste, wann immer sich eine Gelegenheit bietet. Beispiel vergangene Woche: Da hat er sich mit zwei britischen Olympiateilnehmern zum gemeinsamen Training verabredet, bevor die Tour startet, wird auf der Terrasse ausgiebig gefrühstückt. Joghurt, Müsli, Eier, Marmelade – Fumic gibt die Servicekraft. Doch die Rolle als Teamspieler hat für ihn auch Grenzen. Vor allem, wenn es um die Frage geht, wer für das verantwortlich ist, was er auf dem Rad zu leisten imstande ist.

„Ich bin für meine Leistung verantwortlich“, sagt Manuel Fumic, „das kann ich niemand anderem in die Schuhe schieben.“ Und das will er auch gar nicht. „Ich bin ein mündiger Sportler“, versichert der 34-jährige Kirchheimer, der, und das unterscheidet ihn von fast allen Sportkollegen, mit denen er nun nach Rio reist, seit Jahren ohne festen Coach seine Leistung steuert. „Ein klassisches Trainer-Athlet-Verhältnis – das ist einfach nicht mein Ding.“ Was verständlich klingt, wirft aber auch dringende Fragen auf. Wie kann Manuel Fumic zum Beispiel zu jeder Zeit wissen, welche Art von Training Körper und Geist auf Vordermann bringt?

Fumic scheut sich nicht vor Ratschlägen

Zum einen, versichert er, wolle er das überhaupt nicht wissen. „Versuch und Irrtum – das ist doch das Beste überhaupt. Ich brauche immer wieder neue Reize, und klar: Ab und zu funktioniert etwas nicht“, sagt er. In dieser Saison zum Beispiel hat noch nicht viel funktioniert, dennoch ist der Kirchheimer zuversichtlich, bei seinen vierten Spielen die Medaillenränge anpeilen zu können. Doch wer ständig auf der Suche nach den idealen Trainingsreizen ist, verliert auch wertvolle Zeit. Weshalb Manuel Fumic bei aller Selbstbestimmung doch einige Ratgeber um sich schart.

Thomas Schediwie, einst Coach im Straßenradsport und dann Landestrainer für Mountainbike in Baden-Württemberg, nimmt er schon mal mit in ein Trainingslager (auf eigene Kosten) oder arbeitet mit ihm gemeinsam Trainingspläne aus. In Bodo von Unruh hat er in Stuttgart-Vaihingen eine Anlaufstelle fürs Athletiktraining, einen Mentalcoach konsultiert er ab und an, den Rat des Bundestrainers kann er bei Bedarf einholen, am Olympiastützpunkt Stuttgart ist er auch regelmäßig zu Gast, und sein Team und Arbeitgeber (Cannondale) beschäftigt einen „Performance-Manager“, der Abläufe rund um Training und Wettkampf optimiert. Wie viel Input er aus welchem Bereich in Anspruch nimmt, ist und bleibt aber Sache des Mountainbikers. Wie auch die Risikoabwägung, wenn er neue Wege des Trainings in Betracht zieht. Manuel Fumic liebt diese Art von Freiheit an seinem Sport – im Gegenzug muss er sich aber jeden Tag aufs Neue selbst motivieren.

Kein Coach scheucht ihn in den Sattel, schleifen lassen, das versichert er, hat er das Training deshalb aber noch nie. „Ich bin Vollprofi, ich muss mit dem Radfahren meine Familie ernähren“, sagt er, der weiß: „Es dreht sich alles um meinen Körper. Dafür muss auch die Familie zurückstecken.“ Weil sie das seit Jahren tut, ist Manuel Fumic so motiviert wie am ersten Tag. Als er noch dem großen Bruder Lado nacheiferte – und Vater Marko schuftete, um den Jungs die Karriere im Sattel zu ermöglichen.