Mountainbiker machen Front gegen Fahrverbote auf schmalen Forstwegen. Sie wollen abseits der breiten Pfade die Natur erleben. Manche Wanderer fühlen sich schon jetzt gestört.

Stuttgart - Wenn Martin Schietinger im Wald unterwegs ist, achtet er genau darauf, Fußgänger nicht zu stören oder gar zu gefährden. Der 47-Jährige ist Fachgruppenleiter der Mountainbike-Abteilung des Radsportvereins Vaihingen. Auch wenn er umsichtig fährt, hält er sich nicht an alle Regeln. „50 Prozent der Wege, die wir im Wald fahren, sind Singletrails“, sagt Schietinger. Offiziell erlaubt ist es nicht, auf diesen schmalen Waldwegen, die von den breiten Forststraßen abzweigen, unterwegs zu sein. Seit 1995 untersagt das Landeswaldgesetz Radlern das Befahren von Wegen mit einer Breite von weniger als zwei Metern. Diese Regelung gibt es in dieser Form nur in Baden-Württemberg – und sie betrifft viele Wanderwege. Doch gerade diese Pfade machen für viele Mountainbiker den Reiz aus. „Sie fordern den Fahrer technisch und lassen ihn die Natur intensiver erleben“, sagt Schietinger.

 

Annette Schramm, Hauptgeschäftsführerin des Schwäbischen Albvereins (SAV) mit Sitz in Stuttgart, ist hingegen froh über die sogenannte Zwei-Meter-Regelung. „Von den Mountainbikern geht ein Gefährdungspotenzial aus“, betont Schramm. Weniger fitte Wanderer und Familien müssten auf schmalen Wegen vor plötzlich auftauchenden Mountainbikern geschützt werden.

„Wenn Fußgänger unterwegs sind, halte ich an und lasse sie vorbei“, betont Hendrick Ockenga. Als Mitglied der Deutschen Initiative Mountainbike (DIMB) hat der Stuttgarter zugestimmt, „Trail Rules“ einzuhalten, mit denen ein sozial- und umweltverträgliches Mountainbiking möglich werden soll. Zu den Regeln gehört auch, auf andere Wegnutzer Rücksicht zu nehmen.

Jede Woche beschweren sich Spaziergänger

Die DIMB hat gemeinsam mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub, dem Badischen Radsportverband und dem Württembergischen Radsportverband 2013 eine Online-Petition gestartet, in der sie die Abschaffung der Zwei-Meter-Regel fordern. Ihr Wunsch nach einer praxisnahen gesetzlichen Regelung, die Radfahrer nicht diskriminiere und auf persönliche Verantwortung des Waldbesuchers setze, wurde von 58 210 Menschen unterzeichnet. Im Dezember wurde das Schriftstück dem Petitionsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg vorgelegt. Am Mittwoch wird es zur Anhörung vor dem Gremium und dem Ausschuss für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz kommen.

Bei Hagen Dilling vom städtischen Forstamt gehen wöchentlich Beschwerden von Spaziergängern ein, die sich im Wald von Mountainbikern gefährdet fühlen. Und er verweist auf die Folgen für den Waldboden. In Stuttgart sei dieser meistens feucht und die schmalen Wege in der Regel unbefestigt. Matschige Stellen würden zuerst von Radfahrern durchfahren und wenn das nicht mehr möglich sei, von ihnen und Wanderern an den Seiten umgangen. Die Wege würden so verbreitert. „Sie sind erst durch das verstärkte Befahren matschiger geworden“, erklärt Dilling.

Annette Schramm findet es „frustrierend“, wenn Wanderwege, die von ausgebildeten Wegewarten ehrenamtlich gepflegt würden, geschädigt werden. Deshalb beteiligt sich die DIMB bereits an der Waldpflege, etwa in Süßen, wo die Initiative mit dem Schwäbischen Albverein kooperiert. Hendrik Ockenga will so etwas auch in Stuttgart umsetzen.

Mountainbiker wollen keine Waldbesucher zweiter Klasse sein

„Stuttgart braucht ausgewiesene Wege unter zwei Meter Breite für die Mountainbiker“, sagt Hagen Dilling. Das Gesetz solle erhalten bleiben, aber die Stadt müsse Ausnahmen genehmigen und ein attraktives Wegnetz schaffen. Innerhalb der nächsten fünf Jahre will das Forstamt Wege unter zwei Meter Breite für die Mountainbiker zugänglich machen. Bis Anfang 2015 wolle man das Thema angehen. Man müsse dabei beachten, dass es auch bei den Mountainbikern unterschiedliche Nutzergruppen gibt. Den abfahrtsorientierten „Downhill“-Fahrern ist seit 2011 eine offizielle Strecke von der Stadt versprochen. In Heidelberg und Freiburg gibt es solche Strecken bereits. Mountainbiker, die Touren fahren, könne man hingegen nicht auf einer Strecke kanalisieren, so Dilling.

Für Martin Schietinger stellt sich jedoch eine grundlegende Frage: „Warum wird mir als Mountainbiker die Benutzung verboten, dem Wanderer aber erlaubt?“ Hendrik Ockenga sagt, die Mountainbiker in Baden-Württemberg wollten keine Waldbesucher zweiter Klasse mehr sein. Der Petitionsausschuss wird nach der Anhörung am Mittwoch gemeinsam mit dem Fachausschuss beraten und eine Empfehlung für den Landtag ausarbeiten.

Die Mountainbiker hoffen auf eine Abschaffung der Zwei-Meter-Regel, so Schietinger. Was ihm bis dahin vermehrt Sorgen bereitet, seien selbsternannte Ordnungshüter, die absichtlich Äste und Steine auf die Wege legten und die Fahrer in letzter Zeit auch mit unter dem Laub versteckten Nagelbrettern gefährdeten – auch auf Wegen von mehr als zwei Meter Breite.