Haarige Idee mit ernstem Hintergrund: Im November lassen sich Zehntausende von Männern auf der ganzen Welt Schnurrbärte wachsen, um auf den Kampf gegen den Prostatakrebs aufmerksam zu machen – dieses Jahr auch in Deutschland.

Stuttgart – Ob Voll-, Ziegen- oder Oberlippenbart, ob dicht oder licht, kratzig, borstig oder weich, ob raumgreifend präsent oder präpubertär bemüht – die männliche Gesichtsbehaarung ist oft Anlass zu Lästereien. Ein Bart ist eben Geschmackssache. Doch in diesem Herbst wird alles anders. Männer sollten ihre Rasierklingen wetzen und ihre Frauen vorwarnen, denn mit den Blättern fallen jetzt auch die Gesichtshaare. Am 1. November heißt es in deutschen Badezimmern: Kahlschlag! Zum ersten Mal wird auch hierzulande der November zum „Movember“.

 

Mit Hilfe von Schnauzern über Prostatakrebs aufklären und Spenden sammeln – das ist das Ziel der australischen Wohltätigkeitsorganisation Movember. Der Name ist ein Kunstwort aus November und Moustache, englisch für Schnurrbart, im Movemberjargon griffig „Mo“ genannt.

Von der Bierwette zur ernsthaften, weltweiten Aktion

Angefangen hat alles vor zehn Jahren in Melbourne, als sich Travis Garone und Luke Slattery über ein paar Bierchen eine Wette ausdachten. „Draw the Mo you gonna grow“, fasst JC, Freund der beiden Erfinder und Unterstützer der ersten Stunde, den Ulk zusammen: Wer schafft es, sich den Schnurrbart wachsen zu lassen, den er vorher gezeichnet hat? Es ging um Spaß und Wettbewerb. Doch die 30 befreundeten Bartathleten wurden so oft auf ihre Gesichtshaare angesprochen, dass die Idee aufkam, diese Aufmerksamkeit zu nutzen.

Seit 2004 lassen sich sogenannte MoBros – Brüder im Geiste und Brüder im Barte – in 21 Ländern ein Mal im Jahr kontrolliert zuwuchern. Über den Mo kommen sie mit fremden Menschen ins Gespräch, klären über Prostatakrebs auf und sammeln dabei Spenden. „Wir geben der Männergesundheit ein neues Gesicht“, sagt JC. Die Bewegung findet immer mehr Unterstützer: Weltweit haben bisher zwei Millionen Teilnehmer mehr als 238 Millionen Euro (310 Millionen US-Dollar) eingenommen. Auch Frauen können mitmachen: Als „MoSistas“ unterstützen sie die Männer während 30 haariger Tage.

Das Geld kommt der Forschung und Krankenhäusern zugute

„Das Geld fließt fast komplett in Aufklärungsarbeit und Forschung“, versichert der Movember-Mitbegründer JC, der in diesem Jahr auch in Deutschland für die Aktion wirbt. Zehn Prozent der Spenden werden benötigt, um Werbung und Verwaltung abzudecken. Mit Hilfe der restlichen 90 Prozent wird der Prostatakrebs an allen Fronten bekämpft. Dank Movember gibt es mittlerweile spezialisierte Krankenschwestern und Netzwerke für Betroffene und deren Familien. Die Organisation vergibt Stipendien an junge Krebsforscher, stattet Laboratorien aus und finanziert innovative wissenschaftliche Konzepte. Und bringt das wichtige Thema Vorsorge in die Köpfe der Männer. In Deutschland ist Prostatakrebs die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Statistisch gibt es jede Stunde mindestens einen Todesfall und sieben Neudiagnosen.

Samuel Caddick, Redakteur bei einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift in Heidelberg und gebürtiger Engländer, hat bereits 2011 mitgemacht. Einen Monat lang hegte Caddick einen kleinen, akkurat getrimmten Mo, sprach über Prostatakrebs, warb für Movember und sammelte mehr als 200 Euro von Kollegen, Freunden, Verwandten und Bekannten. 2011 musste er sich noch umständlich über die englische Internetseite für die Aktion anmelden. In diesem Jahr ist das einfacher: Movember ist in Deutschland angekommen.

Bartträger treten 30 Tage lang als Gentlemen auf

Wer sich auf der Seite de.movember.com/ registriert hat, trägt offiziell den Titel MoBro oder MoSista. Teams und Einzelkämpfer wetteifern um die schönsten Bärte und die höchste Spendensumme und dokumentieren ihre haarigen und monetären Fortschritte. Besonders ambitionierte MoBros können sich auf der englischsprachigen Seite oder auf den StZ-Illustrationen einen Wunschbart aussuchen. Einen kernigen „Trucker“ trägt man selbstbewusst und stolz, den noblen „After Eight“ eher ironisch. Eines ist jedoch allen Mos gemein: Kinn- und Wangenhaare sind verboten. „Nur der Moustache rockt“, sagt JC. Eitle Männer, die sich um ihr Ansehen sorgen, kann der Australier beruhigen: „Der Mo kommt auch bei den Ladys gut an.“ Einige MoBros berichten sogar, „alleine durch die Macht des Mos“ die schönsten Frauen innerhalb von zwei Minuten in ein Gespräch verwickeln zu können. Vielleicht liegt das auch daran, dass ein MoBro sich nicht nur mit seinem Gesicht für ein wichtiges Thema einsetzt, sondern sich dazu verpflichtet, den gesamten Movember als wahrer Gentlemen aufzutreten. „Zwar bekam ich letztes Jahr oft zu hören, ich sähe mit meinem Bart aus wie ein altbackener Lehrer“, sagt Sam Caddick, „dafür gab es aber um so mehr Gelächter und Spenden von den Damen.“

Dieses Jahr hat sich Caddick für ein „Trucker“-ähnliches Modell entschieden. Denn: mehr Haar, mehr Aufmerksamkeit. Doch vorher muss dem Bart eine Bühne bereitet werden: Alle MoBros starten am Morgen des 1. Movember mit einer Komplettrasur. Und dann heißt es für 30 Tage: stutzen, kämmen, wachsen – und dem Thema Männergesundheit ein Gesicht geben.

Movember zum Mitmachen

Wer mitmachen will, registriert sich auf der deutschen Internetseite de.movember.com/ Hier gibt es auch Fakten zum Prostatakrebs, Tipps zum Bartwuchs und Links zu den englischsprachigen Seiten. Die „MoBros“ (Teilnehmer am Moustache-Marathon) starten den Informations- und Spendenfeldzug am 1. November – frisch rasiert. Weil es bei Movember nicht nur um Wohltätigkeit geht, sondern auch um Wettbewerb, können die Teilnehmer Bilder ihrer Bärte und die Summe ihrer gesammelten Spenden auf ihrem Profil veröffentlichen – und sich von Mitstreitern dafür bewundern lassen.