Nach langem Ringen ist das Mühlwiesenzentrum mit dem Hit-Supermarkt als Ankermieter nun eröffnet worden. Die Feierlichkeiten täuschen aber nicht darüber hinweg, dass die Stadt bei der Standortsuche getrickst hat – das könnte Probleme geben.

Bietigheim-Bissingen - Die gute Nachricht zuerst: Das Mühlwiesenzentrum in Bietigheim-Bissingen hat nun wirklich eröffnet. Nachdem die Stadt zehn Jahre lang einen Standort für einen zusätzlichen Frischemarkt, ein Elektro-Fachgeschäft und eine Drogerie gesucht hatte.

 

Mit dem Slogan „größte Neueröffnung aller Zeiten“ wirbt der Elektrofachmarkt Hem Expert für das frische Mühlwiesenzentrum, in dem auch eine Filiale der Drogeriekette Dm untergekommen ist. Die besondere Aufmerksamkeit richtet sich aber auf den Hit-Markt. Der Supermarkt, betrieben von der mittelständischen Dohle-Handelsgruppe aus dem Rheinland, ist in der Region Stuttgart ein noch unbeschriebenes Blatt. Der erste Hit-Markt eröffnete Anfang dieser Woche im Dorotheen-Quartier, einer neuen Einkaufswelt in Stuttgart. Nun folgt Bietigheim mit einer Verkaufsfläche von 2400 Quadratmetern.

Als eine „Mischung aus Aldi und Feinkost Böhm“ beschreibt Christoph Sonntag den Hit-Markt. Er ist eigentlich Comedian, eröffnet hier aber als Moderator gerne das Zentrum, denn Hit engagiert sich auch finanziell in Christoph Sonntags „Stiphtung“ für soziale Projekte. Hinter dem Comedian auf der Bühne stehen in großen Buchstaben die Wörter „Brot. Ideen.Heimat.“ Nur durch das erste Wort kann man ahnen, dass hier nach der Eröffnung der Essbereich des Bäckers sein wird. Alternativ hätte es auch „Menschen.Leben. Kaufen.Welt.“ getan – denn Hit will dem Kunden ein gutes Gefühl beim Einkauf geben: Neben Produkten, die zu Discounterpreisen angeboten werden, gibt es auch hochwertige Produkte, Regionales, Selbstbedienungstheken für Antipasti, Müsli und Super-Food – ein wahr gewordener Traum für alle gesundheitsbewussten Genießer, könnte man meinen. Doch gibt es davon so viele in Bietigheim?

Offenbar schon, sonst wäre Dohle hier nicht eingestiegen. Kaufkraft, Bedarf, Anbindung: „Nicht schlecht“ sei das Ergebnis der Marktanalyse von Dohle gewesen, sagt Gert Schambach, der geschäftsführende Gesellschafter. Und nach der Gemeinderatssitzung im Jahr 2014 habe man sich hier „richtig willkommen gefühlt“.

Die eigene Drei-Zentren-Theorie konterkariert

Dass diese Willkommenskultur auch aus der Not heraus entstand, erwähnt niemand bei der Eröffnung. Doch die Vorgeschichte des Mühlwiesenzentrums ist lang, komplex und voller Wendungen. Ein Einzelhandelsgutachten hatte einen Bedarf für hochwertige Lebensmittel, Elektronik sowie Drogeriebedarf für die Altstadt ergeben. Weil man dort aber keine 12 000 Quadratmeter Platz hatte, weitete die Stadt in Absprache mit der Region die Mühlwiesen, ein Gebiet am östlichen Rand Bietigheims zwischen B 27 und Enz, einfach zur Altstadt aus und konterkarierte damit die eigene Drei-Zentren-Theorie. Diese besagt, dass sich zentrenrelevanter Einzelhandel nur in den Ortszentren ansiedeln darf. So soll verhindert werden, dass Kaufkraft auf die grüne Wiese abfließt – was nun jedoch zu befürchten ist, ebenso wie eine Zunahme des Verkehrs auf der ohnehin viel befahrenen B 27.

Ein weiterer Rückschlag war das Abspringen des ersten Investors, was für die holländische Projektentwickler- und Bauunternehmer-Firma Ten Brinke, damals der unterlegene Zweitbieter, ein „echter Glücksfall“ gewesen sei, sagt deren Prokurist Heiko Schröppel.

Offiziell heißt es, der erste Investor habe nicht genug Einzelhändler für sein Konzept finden können. Inoffiziell hört man aber, dass sich Stadt und Investor wegen der hochwertigen, repräsentativen Außenfassade nicht einigen konnten. Man habe eben keinen grauen „Lidl-Klotz“ am nördlichen Ortseingang haben wollen, sagt ein Mitglied der Stadtverwaltung.

Wirklich schön ist das Zentrum, zumindest außen, letztlich nicht geworden. Statt einem grauen Klotz steht nun ein Riegel mit goldenen Kacheln und braunen Fliesen an der Enz.

Hit: Seit drei Generationen in Familienhand

Zahlen:
Die Dohle-Handelsgruppe erwirtschaftete 2016 mit rund 5000 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp 1,5 Milliarden Euro. Zum Gewinn macht das Familienunternehmen keine Angaben. Auf der Liste der größten Lebensmittelhändler in Deutschland lagen die Hit-Märkte 2015 auf Platz 16. Gut drei Viertel ihrer bundesweit gut 100 Filialen führt die Gruppe in Eigenregie, das übrige Viertel ist in der Hand von selbstständigen Franchise-Partnern.

Führung:
Klaus Dohle leitet das Unternehmen in dritter Generation als Vorsitzender des Beirats, dessen Ehrenvorsitzender sein Vater Kurt ist. 2013 hat Dohle die operative Führung an Gert Schambach abgegeben. Der 48-Jährige war schon von 2004 bis 2006 als Geschäftsführer für den Einkauf der Gruppe zuständig.

Historie
: Die Dohle-Gruppe wurde 1960 durch die Fusion zweier Geschäfte gegründet. Deren Wurzeln reichen viel weiter zurück: Auf ein im Jahr 1901 von Gerhard Schröder gegründetes Kolonialwarengeschäft bei Köln sowie einen 1927 von Jean Dohle (1904-1992) gegründeten Lebensmittelladen in der Nähe von Bonn. Seinen Sitz hat das Unternehmen seit den neunziger Jahren in Siegburg.