Die Bayern haben gegen einen Tiefbahnhof entschieden. Die frühere Baubürgermeisterin Christiane Thalgott blickt zurück.

München - Ein unterirdischer Bahnhof, neue grüne Stadtquartiere, hohe finanzielle Gewinne: mit diesem verlockenden Angebot ist die BahnAG vor rund 15 Jahren auch bei der Stadt München vorstellig geworden. M 21 sollte den Bahnverkehr revolutionieren. Doch die Münchner waren von vornherein skeptisch und stellten sich gegen das Großprojekt.

An zentraler Stelle im Rathaus saß damals die heute pensionierte Baubürgermeisterin Christiane Thalgott. Auf Einladung des Stadtplanungsforums Stuttgart hat sie am Freitagabend über ihre Erfahrungen mit M 21 berichtet. Rund 100 Zuhörer waren in den Treffpunkt Rotebühlplatz gekommen, viele von ihnen Stuttgart-21-Gegner. Wer nicht kam, war Oberbürgermeister Wolfgang Schuster.

"M 21 ist kein Politikum gewesen"


Er habe sich wegen anderer Termine entschuldigen lassen, sagte Hans Werner Kastner, der Vorsitzende des Statdplanungsforums und bedauerte dies. "Er fehlt uns." Wer sich von dem Abend unabhängig davon Hinweise, Hintergrundinformationen oder gar Erkenntnisse für eine gelungene Protestaktion erhofft hatte, wurde enttäuscht. Das lag nicht an Christiane Thalgott, sondern schlicht an der Tatsache, dass es in München keine Bürgerinitiative gegen den Tiefbahnhof gegeben hat.

M 21 sei kein Politikum gewesen, Politikern und Bürgern sei von vornherein klar gewesen, dass das Projekt im Falle München nicht funktionieren kann, so die ehemalige Bürgermeisterin. Sie gab den Rat: "Vor- und Nachteile genau analysieren. Nicht nur auf die Argumente der Bahn hören." Die Münchner hätten das getan. Die Stadt habe eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben und 2002 das Ergebnis präsentiert: Das prognostizierte Verkehrsaufkommen hätte, so Christiane Thalgott, das M 21-Projekt weder verkehrstechnisch noch wirtschaftlich gerechtfertigt.

In der Folge erarbeitete die Stadt eine Alternative: ein neuer Bahnhof mit 16 oberirdischen Gleisen und der planerischen Möglichkeit, sechs weitere Gleise in einer Tiefe von 18 Metern zu bauen. Somit sei man flexibel genug, um auf künftige Anforderungen zu reagieren, sagte Thalgott.

Zur Zeit halten in der Station täglich 220 Fernverkehrs- und 246 Nahverkehrszüge sowie 967 S-Bahnen. Der Münchner Bahnhof sei kein Durchgangsbahnhof, zwei Drittel der Züge würden hier enden. Jeden Tag werden 350.000 Fahrgäste gezählt.

"Die Menschen wollen nach München, und sie wollen in die Innenstadt", sagte Thalgott und frage: Warum sollte man dann einen Durchgangsbahnhof bauen, der nur eine Zeitersparnis von knapp drei Minuten bringt? Außerdem seien die Kosten für die Bahn-Variante mit 4,1 Milliarden D-Mark veranschlagt gewesen, die städtische Variante hätte 2,4 Milliarden D-Mark gekostet. Bei beiden Entwürfen seien die Flächengewinne zugunsten städtebaulicher Entwicklungsmöglichkeiten gering gewesen.

Die Zweifel in München wuchsen


Die Stadt habe also selbst Alternativen zu den Plänen der Bahn erarbeitet, sie im Stadtrat bearbeitet und dann öffentlich diskutiert. Oberbürgermeister Ude habe frühzeitig gemahnt gehabt, dass die Innenstadtstruktur nicht zerstört werden dürfe und das Projekt von den Bürgern mitgetragen werden müsse. Als die Zweifel in München wuchsen, habe die BahnAG ihr Projekt und dessen Finanzierung zurückgestellt. Andere Vorhaben hätten offenbar einen höheren Stellenwert bekommen, zum Beispiel Stuttgart 21, mit dessen Bau im Februar offiziell begonnen worden war. In der Bayern-Metropole stocken indessen momentan alle Planungen.

Die Planer der Bahn, sagt Christiane Thalgott, würden sich oft nicht an den Bedürfnisse der Fahrgäste und Bürger orientieren. Sie bezweifelte auch, dass die Bahn überhaupt genug Geld für solche Großprojekte habe: "Das ist wohl eine Frage der Rechenkünste."

"Man sieht, es geht auch anders", so das Fazit eines Zuhörers. Und wie sieht Christiane Thalgott die Stuttgarter Verhältnisse: "Der Hauptbahnhof ist ein architektonisches Meisterwerk", sagte sie. Städte hätten ein Gesicht. Mit Tiefbahnhöfen gehe das verloren: "Wenn man nicht mehr weiß ob man in München, Stuttgart oder Shanghai ist, haben unsere Städte verloren."