Beim Bürgerentscheid wird vorentschieden, ob München sich aus dem Rennen um die Austragung der olympischen Spiele verabschiedet.  

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Zuerst hängt ein fünftagebärtiger Mann im Fauteuil, hält einen gelben Kaffeebecher mit dem Aufdruck Borussia Dortmund in der Hand, fixiert sein Gegenüber - und sagt klar und deutlich: "München!" Das ist der Fußballtrainer Jürgen Klopp. Wer nicht genau hinsieht bei diesem Werbespot, denkt sich, dass er das doch wohl nicht ernst meinen wird, der Kloppo. Zwanzig Sekunden später joggt ein anschließend sehr kölsch sprechender Mann, der sich höchstens alle fünf Wochen rasieren muss, durch den heimatlichen Stadtwaldschnee, ehe sein Mobiltelefon dudelt. Und was sagt jetzt der Mann: "Münschen - kann isch mir sehr gut vorstellen!", sagt er. Das ist der Stürmer Lukas Podolski, und auch da hält man beim ersten Mal Zuschauen einen Sekundenbruchteil inne. Der wird doch nicht zurückwollen (zum FC Bayern, wo er mehr als unglücklich gewesen ist)? Dann jedoch dreht der ehemalige Honeckerliebling Kati Witt auf Kufen bei und sagt sinngemäß, dass damit ja jetzt wohl fast alles in Butter sei mit den Olympischen Spielen 2018 in München. Aber, wie gesagt: es ist Werbung. Und überhaupt alles nicht so einfach.

 

Dem Engagement der obersten, nach der Demission des zwischenzeitlichen Bewerbungschefs Willy Bogner aus dem Hut gezauberten Olympiabotschafterin Kati Witt zum Trotz nämlich und allem mantraähnlichen Zuspruch von Fußballmeistern bis hin zu Boxern, Ruderern und Handballern entgegen, hat sich am möglichen Olympiahauptaustragungsort Garmisch-Partenkirchen eine Opposition zusammengefunden, die gefürchtet ist. An diesem Sonntag wird sie auf dem Wege des Bürgerbegehrens versuchen aufzuhalten, woran hauptsächlich München seit nunmehr über zehn Jahren ernsthaft bastelt: die Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2018.

Konkurrenz aus Frankreich und Korea

Entscheidet sich die Mehrheit der 21.000 Wahlberechtigten vor Ort gegen die Bewerbung, ist München praktisch aus dem Rennen. Dann ist die Gemeinde rechtlich verpflichtet, prüfen zu lassen, was die bereits mit dem IOC geschlossenen Verträge wert sind. Das kann dauern und demoliert unterdessen alle anderen Aktivitäten. Läuft es umgekehrt, solidarisiert sich Garmisch eindeutig mit den möglichen Spielen, wird es darauf ankommen, ob die Befürworter beim IOC den bleibenden Eindruck hinterlassen. Garmisch hat direkte Konkurrenz aus Frankreich (Annecy) und Korea (Pyeongchang), die schlafen nicht. Nach den bisherigen Bewerbungsrunden hat Pyeongchang bei den internationalen Beobachtern mit seiner bereits dritten Bewerbung den stärksten Eindruck hinterlassen. Dagegen werden Annecy eher Außenseiterchancen eingeräumt. Endgültig entschieden wird Anfang Juli in Durban, Südafrika.

Was da schiefgelaufen ist? Eine Menge. Will man den Kardinalfehler bei der Münchner Bewerbung herausfinden, muss man nur Axel Doering fragen, den Hauptorganisator der Bewegung "Nolympia". Sein wichtigster Satz heißt: "Die haben einfach drauflosgeplant!" "Die" sitzen in der Landeshauptstadt, "die" sind Christian Ude & Co. "die" sind das Nationale Olympische Komitee.

Ein verschuldeter Ort

Wer es noch nicht gemerkt hatte, wie anders die Stimmung in Garmisch-Partenkirchen immer schon war, als sie in München großherrlich eingeschätzt wurde, musste spätestens während der Ski-WM im Februar eine Geschichte ernst nehmen, die der Präsident des Ski-Weltverbands FIS, Gian-Franco Kasper, leicht konsterniert erzählte: Demzufolge sei eine Einheimische auf ihn zugekommen und habe gesagt: "Ich gratulier', eine wunderbare Weltmeisterschaft, aber tun S' mir einen Gefallen - keine Olympischen Spiele!"

Obwohl oder gerade weil die Ski-WM gut geklappt hat, rechneten sich viele Einheimische hoch, wie es ausschauen würde, wenn statt 5000 Zuschauern die dreifache Menge täglich den Ort bevölkerte, der ohnehin bereits im Februar zwischenzeitlich aus allen Nähten zu platzen schien. Weitere mögliche Perspektiven kann der 63-jährige Doering beisteuern, SPD-Mitglied und Kreisvorsitzender des Bunds Naturschutz: 30 Millionen Euro für Sportanlagen würden sinnlos verbaut: Garmisch-Partenkirchen, zweifellos kein zeitgemäß schicker, aber heute bereits mit 110 Millionen Euro verschuldeter Ort, lebt indes zu fast 70 Prozent vom Sommerwandertourismus. "Wir stecken alles in den Wintersport", sagt Doering, "obwohl die Mehrzahl der Gäste diese Möblierung der Natur nicht mag."

Der Ort steht vor einer Zerreißprobe

In Garmisch selber hat der vormalige CSU-Bürgermeister Thomas Schmid, ein extrem ehrgeiziger Mann, zusätzlich Terrain buchstäblich verbrannt, als er sich zunächst mit seiner Partei vor Ort anlegte, dann ein eigenes Bündnis gründete und schließlich mit vielen Grundstücksbesitzern derart über Kreuz lag, dass in höchster Not die Landesregierung in Person des Staatskanzleichefs Siegfried Schneider schlichten musste. Die meisten Verpachtungen sind nun geklärt.

Andererseits gibt es eine auch nicht eben schwache Bewegung, die sich "Olympija" nennt. Sie wird nicht müde zu betonen, dass die Winterspiele 2018 eine "Jahrhundertchance" darstellten, die man sich nicht entgehen lassen dürfe. Sachargumenten seien die Gegner nicht zugängig.

Wie die Dinge mehrheitsmäßig im teilweise quer durch einzelne Familien zerstrittenen Ort kurz vor der Entscheidung liegen, ist nicht auszumachen. So oder so steht Garmisch-Partenkirchen vor einer Zerreißprobe.

So läuft der Bürgerentscheid ab

Bürgerentscheid 1: Auf dem Stimmzettel bei dem Olympia-Bürgerentscheid können die Stimmberechtigten insgesamt drei Kreuze machen. Der Bürgerentscheid 1 der Befürworter fragt vereinfacht gesagt, ob die Marktgemeinde die Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Winterspiele im Jahr 2018 als Partner von München wie bisher geplant weiter vorantreiben soll.

Bürgerentscheid 2: Die Gegner haben eine zweite Frage eingebracht. Sie richtet sich gegen die Spiele und sieht bei ausreichender Zustimmung im Kern vor, dass die Gemeinde sämtliche mit dem Internationalen Olympischen Komitee geschlossenen Verträge auf ihre Rechtsgültigkeit überprüfen muss, um einen Weg zu finden, doch noch aus der Bewerbung auszusteigen. Dazu würde ein unabhängiges Gutachten in Auftrag gegeben, um danach alle darin als zulässig beurteilten Maßnahmen zu ergreifen, um keine weitere Unterstützung für die Bewerbung oder Durchführung der Winterspiele mehr leisten zu müssen.

Stichfrage: Falls beide Bürgerentscheide mehrheitlich mit Ja beantwortet werden sollten - was unwahrscheinlich erscheint -, würde das Ergebnis der Stichfrage ergeben, welche Entscheidung gelten soll: "Ja" zu Olympischen Winterspielen oder "Nein". Hier können die Bürger von Garmisch-Partenkirchen das dritte Kreuz machen.