Im Kampf gegen die Dschihadisten vermitteln die Staatsführer bei der 52. Münchner Sicherheitskonferenz zwiespältige Botschaften. Es wird von militärischen Erfolgen berichtet – aber auch vom Zugriff der Terroristen auf chemische Waffen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

München - Es sind, bei aller Zuspitzung der dramatischen Lage, auch Tage der Hoffnung in München. Bei der 52. Sicherheitskonferenz – dem Speed-Dating von mehr als 30 Staats- sowie Regierungschefs und viel mehr Ministern – herrscht einhellig Zufriedenheit über das Abkommen, das ein Schritt zu einem Waffenstillstand und einem politischen Wandel in Syrien sein könnte. Die Welt vereint sich immer effektiver gegen den Terrorismus.

 

Viele Redner zeichnen ein zunehmend zuversichtlicheres Bild vom Kampf gegen den „Islamischen Staat“ – etwa Haider al-Abadi, der irakische Premier. Die Hälfte des eroberten Gebietes sei dem IS wieder abgerungen worden. Alle Provinzen mit einer Ausnahme seien unter Kontrolle der Sicherheitskräfte. „Der IS verliert an Boden und die Unterstützung der irakischen Bevölkerung“, sagt al-Abadi. Ende 2016 werde er nicht mehr im Irak existieren.

Afghanistans Präsident Aschraf Ghani berichtet von einer großen Mobilisierung gegen den IS, der fast vertrieben sei – jeden Tag würden sich 750 neue Rekruten melden. Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves le Drian meldet: „Der IS scheint in der Defensive zu sein.“ Den syrischen Diktator Baschar al-Assad beschuldigt er, „in Wirklichkeit den IS zu unterstützen“.

Irans Außenminister wirbt für Kooperation

Eine positive Botschaft hat der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif mitgebracht: Er wirbt – nach den Erfahrungen mit dem Atompakt – auch hier für einen „Paradigmenwechsel“: für eine neue Sicht der Mächtigen auf diese Region. Dazu müsste eine Reihe von Prinzipien neu entwickelt werden wie die Nicht-Einmischung in andere Staaten. Die Praxis der Ausgrenzung – gemeint ist Teheran – müsse beendet werden. Iran und Saudi-Arabien, deren Beziehungen zuletzt schwer gestört waren, könnten „gemeinsame Interessen“ auch in Syrien haben, sagt Sarif – in einem multikulturellen und multiethnischen Land ohne Terroristen. Die Syrer sollten ihren eigenen Weg finden. „Wir sind bereit, mit Saudi-Arabien zusammenzuarbeiten.“

Der Außenminister des Rivalen, Adel al-Dschubair, bleibt aber dabei: Assad sei der „effektivste Magnet für Extremisten und Terroristen in der Region“. Saudi-Arabien wolle ihn verdrängen. Ohne einen Wechsel in Syrien werde der IS nicht besiegt. Dieser sei „eine terroristische Organisation, die von Psychopathen geführt wird, die keine Religion und keine Moral haben und die andere Psychopathen anziehen“, giftet er.

Dschihadisten stellen Chemiewaffen her

Der US-Geheimdienstdirektor James Clapper dämpft zu hohe Erwartungen, indem er von „mehreren Vorfällen“ berichtet, in denen die Dschihadistenmiliz schon chemische Waffen eingesetzt hätte. Dafür gebe es „ausreichend Beweise“. Es sei das erste Mal, dass eine terroristische Gruppe C-Waffen wie Chlor- und Senfgas verwendet hätte seit 1995, dem Anschlag in der Tokioter U-Bahn. „Und es sieht so aus, als ob sie diese gegen uns einsetzen möchten.“ Dies sei ein neues globales Problem.

Auch der jordanische König Abdullah II. sorgt sich nachhaltig. Für ihn ist der Kampf gegen den Terror ein „Weltkrieg mit anderen Mitteln“, gegen den man als „wahrhaft globale Allianz“ zusammenarbeiten müsse. Die Flüchtlinge belasten sein Land schwer. „Auf jeden fünften Jordanier kommt schon ein Syrer.“ Der König hat somit wenig davon, dass mit Hilfe der Nato schon bald der Flüchtlingsstrom an der Meerenge zwischen Türkei und Griechenland gestoppt werden soll.

Ein ständiger Marineverband soll in der Ägäis die Schleuseraktiviäten unterbinden. „Hochprofessionalisierte, kriminelle Netzwerke treiben an Europas Außengrenzen ihr Geschäft mit den Flüchtlingen“, sagt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Dies gehe nicht ohne eine gewaltige Logistik und Organisation. Der organisierten Kriminalität müsse man ein „starkes Signal“ senden. Der Druck der Schleuser auf die Flüchtlinge, sich jetzt noch schnell auf die Überfahrt zu begeben, werde aber erst einmal zunehmen. „Es geht um jeden Tag“, drängt sie zur Eile.

Ausbildungsprogramm der Bundeswehr für Syrer

Konkret werde die Nato für Aufklärung und Überwachung zuständig sein. Flüchtlinge in Seenot werden gerettet und in die Türkei zurückgebracht. Ansonsten sollen dies die Küstenschutzwachen beider Länder übernehmen. Am Rande schildert von der Leyen, wie schwierig es gewesen sei, die zerstrittenen Türken und Griechen zur Kooperation zu bewegen. „Die sprechen nicht miteinander.“ Die Nato sei das Bindeglied.

Für die Flüchtlinge und die Türkei dürfe dies aber keine Sackgasse sein. Stattdessen, so sagt die CDU-Politikerin, müsse es Kontingente für eine legale Einwanderung nach Europa geben. Wie hoch die Kontingente sein könnten, will sie nicht beziffern.

Die Verteidigungsministerin denkt auch an die Zukunft, wenn die syrischen Flüchtlinge in einigen Jahren in ihre Heimat zurückkehren. „Weil sie dort gebraucht werden für den langwierigen Wiederaufbau.“ Die Vereinten Nationen rechneten dafür mit mindestens zehn Jahren. „Es wäre deshalb gut, den Rückkehrern eine Starthilfe in die Zukunft mitzugeben – als Hilfe zur Selbsthilfe.“ Die Bundeswehr könne als einer der größten und vielseitigsten Arbeitgeber Deutschlands mit einem zivilen Ausbildungsprogramm dazu beitragen. Sie bilde mehr als 100 Berufe aus: vom Elektriker bis zum Feuerwehrmann, vom Maurer bis zum Wassertechniker, vom Logistiker bis zum Verwaltungsexperten. Es sei aber nicht abzuschätzen, inwieweit dieses Angebot, das von nun an in den Details entstehe, bei den Syrern auf Resonanz stoßen werde.