Bei den Stuttgarter Kriminächten wird 2015 als einziger nicht deutschsprachiger Autor Mukoma wa Ngugi lesen. Dessen in Kenia spielende Romane sind ein paar Grade härter und politischer, als es Freunde des Kuschelkrimis mögen.

Stuttgart - Dass er sich nicht wirklich zuhause fühlt in Madison, Wisconsin, also: nicht als Gleicher unter Gleichen behandelt, daraus macht der schwarze Cop Ishmael Fofona kein Hehl. Aber er ist kein radikaler politischer Aktivist, schon gar kein Advokat einer Back-to-Africa-Bewegung. Eigentlich hat er vor, das auszuhalten, den mal versteckten, mal offenen Rassismus vieler Weißer und die Vorwürfe einiger Afroamerikaner, er sei ein Verräter, der dem System helfe, die eigenen Leute zu unterdrücken.

 

Aber der Autor Mukoma wa Ngugi führt ihn im ersten Band der Ishmael-Serie, „Nairobi Heat“, im Zug einer Mordermittlung nach Kenia. Ishmael Fofona ist von dem Land fasziniert, er fühlt sich von der Anrede „weißer Mann“, die manche Einheimische ihm spöttisch verpassen, provoziert. er spürt das unerwartete Bedürfnis, akzeptiert zu werden, dazu zu gehören, zu begreifen, wie dieses Land tickt – in dem auf den ersten Blick vieles noch viel schlechter funktioniert als in den USA, angefangen bei der Polizeiarbeit und bis hin zum demokratischen Wahlprozess. Im zweiten Band der Serie, „Black Star Nairobi“, arbeitet Ishmael bereits als Privatdetektiv in Kenia, als Partner jenes einheimischen Cops mit dem schlichten Spitznamen O, den er in „Nairobi Heat“ kennengelernt hat.

Hart gefedertes Chassis

Es geht in diesen Krimis um kulturelle Wurzeln und individuelle Prägungen, um Grenzgänge zwischen den Kulturen und natürlich auch um die Frage, welche Werte eigentlich universal gültig und welche Kompromisse statthaft sind. Mukoma wa Ngugi erzählt da nicht aus bequemer Instanz. Er ist als Sohn des kenianischen Literaturnobelpreisanwärters Ngugi wa Thiong’o 1971 in Evanston, Illinois, zur Welt gekommen, mithin qua Geburt US-Staatsbürger. Aufgewachsen aber ist er in Kenia und dann in die USA zurückgekehrt. Er lehrt im English-Department der Cornell University, aber er hat – wohl sehr programmatisch – seine afrikanische Englischfärbung nicht abgelegt.

Mancher mag nun vermuten, hier schriebe einer besonders feingeistige Krimis, gar solche, in denen ein klappriger Ermittlungsrahmen viele schwere Reflexionspassagen tragen muss. Aber weit gefehlt: Mukoma bedient sich der frühen US-Tradition, seine Touren durch Kenia nutzen jenes hart gefederte Chassis, mit dem Dashiell Hammett in „Rote Ernte“ durch die korrupte US-Provinz gebraust ist. Er schert sich wenig um reale Polizeiarbeit, manchmal auch wenig um Wahrscheinlichkeiten, er steckt Männern Schusswaffen in die Fäuste und kürzt so viele Diskurse über Interessenkonflikte ab: Mukoma löst politische Standpunkte gern in Action auf – manchmal riskant nahe an der Grenze zur Parodie.

Der Wunsch nach Sichtbarkeit der Gewalt

Man sollte darum schwatzhafte Kritiken von „Black Star Nairobi“ lieber meiden. In dem Roman geht es nicht einfach um Ishmaels weitere Erkundungen einer Gesellschaft, die sehr viel zerklüfteter in ethnische Gruppen ist, als er anfangs wahrhaben wollte. Es geht auch um den globalen Krieg gegen den Terror, darum, wie Länder zum Spielplatz zynischer Strategien und global Bürgerrechte außer Kraft gesetzt werden. Nicht zuletzt geht es das Entwerfen nutzbringender Narrative als Waffe im Kampf, sprich, um gezielte Verleumdung, um Nachrichtenkontrolle, um Beweisfälschung. Das alles aber im Mukoma-Stil, will heißen, es liegen bald Leichen zu Füßen von Ishmael und O – und nicht nur die Leichen von Fremden.

Solche zugespitzten Szenen wirken am eindringlichsten, wenn man nicht auf sie vorbereitet ist, wenn einen Mukomas Darstellung, was das Leben Unschuldiger und erst recht das Leben von Afrikaner den Schachspielern der Geostrategie wert ist, kalt erwischt. Es ist keine Lust an der Gewalt, die Mukoma knallharte Bücher schreiben lässt, auch das ist ein Hammett-Erbe von ihm. Es ist eher der dringende Wunsch, die jenseits des Wahrnehmungskreises oder Wahrnehmungswillens der nicht direkt Betroffenen ausgeübte Gewalt, die tieferen Strukturen systematischer Rechtsverletzung möchten unabweisbar sichtbar werden.

Guantanamo-Methoden

Und dann denkt sich Mukoma eben eine Situation aus, in der das so ist. In der seine Figuren nicht mehr bloß von Guantanamo lesen oder über Guantanamo diskutieren, sondern direkt mit Guantanamo-Methoden konfrontiert sind. Wobei Mukoma sehr gut weiß, dass er im Rahmen eines solchen Krimis nicht alles erklären, diskutieren, gar irgendetwas lösen kann. Das letzte Wort von „Black Star Nairobi“ liest sich als gequälter Aufschrei: „Warum?“

Mukoma wa Ngugi befindet sich auf Lesereise in Deutschland. In der Region Stuttgart liest er am 20. März 2015 um 19.30 Uhr im Scala Esslingen im Rahmen der Stuttgarter Kriminächte. Alle weiteren Termine finden sich hier.

„Nairobi Heat“. Roman. Transit Verlag, Berlin 2014. Aus dem Englischen von Rainer Nitsche. 176 Seiten. 19,80 Euro. Auch als E-Book, 17,99 Euro.

„Black Star Nairobi“. Transit Verlag, Berlin 2015. Aus dem Englischen von Rainer Nitsche und Niko Fröba. 256 Seiten, 19,80 Euro. Auch als E-Book, 17,99 Euro.