Experte für Mundart: Der Regisseur Wolfgang Ruff hält den hiesigen Dialekt für eine Weltsprache.

Mühlhausen - Mit Mundart gehen die Mühlhäuser Freilichtspiele durch den Winter: ein teils auch ernstes Gespräch übers Schwäbische mit dem Regisseur Wolfgang Ruff.

 
Herr Ruff, warum hat es ein Mensch, der kein Schwäbisch kann, schwer auf der Welt?
Wenn der gute Kerl Schwäbisch könnte, dann hätte er es tatsächlich leichter, denn das Schwäbische ist eigentlich eine Weltsprache, die man überall gut brauchen könnte. Sprachen aus allen Ecken der Welt haben Wurzeln im Schwäbischen.
Im sprachwissenschaftlichen Teil von „Schwäbisches Ällerlei“ weisen Sie nach, dass sogar das Chinesische dem Schwäbischen viel verdankt!
In der Tat, im Asiatischen ist viel Schwäbisches! Aber auch im Französischen, Italienischen oder Englischen. Nur zum Beispiel! Ich stütze mich da auf Professor H. Sellwi Le-Moina von der Universität Appenzell. Man nehme nur einmal die Tsei-Dong oder a Odeng, das Pläsir, Blafon oder How up. Der Engländer schreibt das jetzt zwar anders, aber die Herkunft ist ganz klar. Und ein Leckerbissen ist, wie das Herumbrüllen aus dem Schwäbischen ins Italienische übergegangen ist: „Sia rombrillare, sia vette!“ Ohne Schwäbisch ist man also nicht nur beim Chinesen arm dran!
Heidawetter! Ist der Abend denn ein Fitnessprogramm in Schwäbisch?
Wir wollen die Welt der Schwaben mit einem Reigen von Kurzszenen untersuchen, und zwar humorvoll und mit Hintersinn. Und wir machen das mit der besten Waffe des Schwaben, nämlich mit seinem Dialekt. Wir haben diese schwäbischen Geschichten vergangenen Winter angezettelt, um nach dem krankheitsbedingten Ausfall der Freilichtsaison die Kasse unseres Theatervereins zu retten. Das ist so gut angekommen, dass wir uns verpflichtet fühlen, jetzt damit weiterzumachen.
Der Reigschmeckte mit Integrationswillen braucht keinen Simultan-Dolmetscher?
Bisher haben uns alle verstanden. Wir sind keine Mundart-Fundamentalisten, sondern benutzen einen einigermaßen verständlichen Dialekt, aber kein Hochschwäbisch! Und so richtige Brocken, die erklären wir dann auch. Ich habe ja nix gegen Reigeschmeckte! Auch nix was hilft.
Und warum taugt das Schwäbische als Bühnensprache?
Weil der Dialekt so griffig, bildhaft und anschaulich ist. Und weil er einen eigenen Wortschatz und eine spezifische Klanglichkeit hat, mit der man spielen kann. Versuchen Sie mal, „ein Ei“ auf Schwäbisch zu sagen! „Oi Oi“. Das kann schon länger nicht mehr jeder. Im Dialekt bilden sich auch Mentalität und ein Lebensgefühl ab. Vier Wörter, schon steht der Wein auf dem Tisch: „Lisele, Wasele, a Viertele, jetzedle!“ Das kann sonst keiner.
Ein Wunder an Effektivität! Sie halten dem Schwaben a bissle den Spiegel vor. Kann der über sich lachen?
Unbedingt! Und das nicht nur hälenga, also heimlich und in sich hinein. Wir wollen aber nicht das Käsperle machen, sondern kurze Geschichten mit Witz und einem gewissen Wiedererkennungswert bieten. Wiedererkennen soll man aber auch die Sympathie mit dem Dargestellten. Das sind wir ja auch selber.
Warum sollte man als Schwabe den Abend auf keinen Fall verpassen?
Weil wer wo sich als Schwabe versteht, das Gefühl bekommt, dass er genau richtig ist. Als Schwabe kann man sich hier bestätigt fühlen. Also mir gefällt’s! Ich mag es, die Leute daran zu erinnern, dass wir im Schwabenländle wohnen und dass da so vieles schön dran ist. Vom Viertele angefangen bis zum Rostbraten. Das ist ein Stück Lebensqualität, und Dialekt ist auch ein Stück Heimat. Ich finde, man sollte ihn mit Selbstbewusstsein nutzen. Außerdem gibt’s Kraut und Bubaspitzle und genug zum Trinken. Und wer nix will, für den stellen wir ein paar leere Flaschen hin.