Wenn der Dialekt nicht gepflegt wird, geht er verloren, sagte sich die Schulleiterin Elke Schuster und lud den schwäbischen Liedermacher Rolf Pressburger in die Grundschule Gaisburg ein.

S-Ost
Es ist 9.50 Uhr am Morgen. In Zimmer 110 der Grundschule Gaisburg warten 38 Schüler auf den Beginn der Stunde. Vor der Tafel steht heute kein Lehrer, sondern Rolf Pressburger. Eigentlich ist er Heilerzieher, im Nebenberuf jedoch er Liedermacher und Mitglied im Verein Schwäbische Mundart. „Wer weiß was heut los isch?“, fragt Pressburger laut ins Publikum. Das wissen alle Kinder, obwohl es die erste Unterrichtsstunde dieser Art ist. „Schwäbisch!“, rufen sie. Ganz genau. In Deutschland sprechen viele Leute Dialekt, erklärt Pressburger: „Jeder so wie ems Maul gwachse isch.“

 

Die Unterrichtsstunde in schwäbischer Mundart war die Idee von Elke Schuster, der Leiterin der Grundschule. Der Gedanke kam ihr, nachdem sie mitbekommen hatte, wie ein Schüler dem anderen auf dem Hof schwäbische Wörter erklärte. „Die Kinder sollen ein Gefühl für die Sprache bekommen“, sagt Schuster. Außerdem sei Dialekt ein Stück Heimat. Die Rektorin kommt aus Bayern und durfte in ihrer Kindheit auf dem Gymnasium nur Hochdeutsch sprechen. Umso wichtiger ist es ihr nun, den Kindern Dialekt zu vermitteln. Das geht für Schuster am besten mit Musik. „Dialekt hat viel zu tun mit Gefühl, nicht mit Intellekt.“ In der Zeitung hat sie vom Verein Schwäbische Mundart erfahren und sich mit dem Liedermacher an das Experiment Mundartunterricht gewagt.

Nicht alle schwäbischen Wörter sind übersetzbar

In Raum 110 singt und erzählt Pressburger schon von Kloinigkeida, vom Kirschaklaua, der Brillenschlange Glotz und seiner ersten Liebe. Die Schüler, die zu Beginn noch zurückhaltend waren, klatschen mit und lachen. Außerdem geht es darum, was die Saiten einer Gitarre und Wiener Würste gemeinsam haben. Beide können nämlich, wie Pressburger erklärt, aus Tierdarm hergestellt werden – deshalb heißen Wiener in Süddeutschland auch Saiten.

Im Schwäbischen gebe es Wörter, für die es keine unmittelbaren Begriffe im Hochdeutschen gebe, sagt der Liedermacher. Breschdleng sage man zu Erdbeere und Ebbira zu Kartoffel. Und dann gibt es noch viele Wörter, die verniedlichen, wie zum Beispiel Täschle, und Wörter aus dem Französischen. Eine Couch kann hier auch mal Schessloh heißen. Dass Kinder auch Dialekt lernen, hält Pressburger für sinnvoll. Er hat auch gehört, dass es die Intelligenz der Schüler fördere. „Des isch ja faschd a halbe Fremdsprach“, sagt er. Für den Mundartunterricht an der Grundschule hat der Liedermacher extra einige Lieder umgeschrieben. Normalerweise macht er Musik für Erwachsene. „Aber I han mi drauf vorbereided“, sagt er. Und für den Fall, dass der Unterricht nächstes Jahr wieder stattfinden soll, will er noch mehr Kinderlieder mitbringen. Auch die Schulleiterin Elke Schuster möchte den Mundartunterricht fortsetzen, vielleicht alle ein bis zwei Jahre eine Unterrichtseinheit. „Das mit Sprache find ich gut“, sagt sie.

Am Ende stehen alle und klatschen und singen

Wie man „Wo gehst du dann noch hin?“ auf schwäbisch sagt, lernen die Kinder im nächsten Lied. „Wo gosch na nu na?“ heißt es. Die Schüler wollen nun nicht mehr stillsitzen. Sie klatschen, stampfen, schnippen und schaukeln im Takt. „Na nu na“, singen sie. Alle haben Spaß. Auch der Sänger ist nicht mehr auf seinem Stuhl zu halten. Er spielt jetzt im Stehen weiter. Als das Lied vorbei ist, gibt es tosenden Beifall. Auch von Pressburger: Er sagt: „Das war subber. Wollt ihr als Backgroundchor mit auf mai nägschde Welttournee?“