Der Kern der Traditionsgaststätte Alte Post in Murrhardt und die Häuser dahinter sollen abgerissen werden. Ein Investor aus Dossenheim bei Heidelberg plant den Bau von betreuten Seniorenwohnungen.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Murrhardt - Im Jahr 2005 sind die Herren aus Heidelberg, die das Traditionsgasthaus hatten abreißen wollen, schon einmal in Murrhardt gewesen – und nach mehreren Beratungen ohne größeren Erfolg wieder abgezogen. Acht Jahre später steht die Alte Post immer noch. Jetzt sind die Heidelberger zurück – mit neuen Plänen.

 

An diesem Abend steht Gustav Bylow von der FWD Hausbau GmbH aus Dossenheim bei Heidelberg im komplett gefüllen kleinen Saal der Festhalle und erklärt augenzwinkernd: „Damals haben uns die Murrhardter den Marsch geblasen. Aber wir wollten doch nur das Beste“ – nämlich mitten in der Stadt bezahlbare Wohnungen für Senioren bauen. Ein Abbruch des traditionsreichen Fachwerkgebäudes kam für die Murrhardter aber keinesfalls in Frage.

Bei einem Bürgerentscheid vor sechs Jahren haben die Murrhardter mit großer Mehrheit für den Erhalt der Alten Post gestimmt – obgleich das marode Haus seit vielen Jahren nur noch als Vereinsgebäude und als Versammlungsstätte genutzt wird. Die Bindungsfrist des Bürgervotums ist abgelaufen. Ein Abriss wäre wieder möglich.

Eine Lösung, die „den Bürgerwillen widerspiegelt“

Mit so einem Vorschlag hätten sich der Bürgermeister Armin Mößner und die Heidelberger Herrern indes nicht blicken lassen können bei den Bürgern in der Festhalle. Der vor rund eineinhalb Jahren ins Amt gewählte Schultes versichert den geschätzt knapp 100 Damen und Herren in der Festhalle, dass man mit dem Investor eine Lösung für die Post und das Areal dahinter suche, die „den Bürgerwillen widerspiegelt“. Vernunft, Ratio und Pragmatismus seien gefragt. Nicken im Publikum. Der Bürgermeister sagt, den Planern käme entgegen, dass die Stadt kürzlich den benachbarten Schwanen erworben habe, ein heruntergekommenes Gebäude, das offenbar niemand in der Stadt erhalten will.

Dann präsentieren Bylow und der Architekt Simon Fellmeth ihre Pläne, die sich knapp zusammenfassen lassen: Zumindest die Hülle der Alten Post bleibt erhalten – also die Form des Gebäudes inklusive Zwerchgipfel, die Fachwerkfassade, das Wirtshausschild sowie die Hinweistafel, die von der Historie des Hauses berichtet. Hinter der Fassade hingegen wird ein Neubau entstehen, mit Wohnungen, Räumen für die Sozialstation und einem großen Gemeinschaftsraum. Auf dem Areal hinter der Post sollen mehrere Gebäude abgerissen werden, unter anderem der Schwanen. Geplant ist der Neubau von betreuten Seniorenwohnungen.

„Es hätte schlimmer kommen können.“

Noch gehören die Immobilien der Stadt, vorgesehen ist ein Verkauf an den Investor. Bylow sagt, sein Unternehmen habe bereits 60 ähnliche Projekte realisiert. Die Lage der Alten Post mitten in der Stadt sei ideal. Die Wege etwa zum Marktplatz und zum Stadtgarten seien kurz. Laut Aussage Mößners ist zudem geplant, das benachbarte Murrufer aufzuwerten.

Die Bürger in der Festhalle scheinen nach der Vorstellung des Projekts recht zufrieden zu sein. Einer sagt: „Es hätte schlimmer kommen können.“ Viele sagen sinngemäß: „So kann ich es mir ganz gut vorstellen.“ Demnächst will die FWD ein Modell vom Neubau und der umgebauten Post präsentieren. Außerdem sei geplant, die Nachfrage nach den betreuten Seniorenwohnungen ganz konkret auszuloten.

Symbol für die Rückkehr Deutschlands zur Demokratie

Traditionsgasthaus
Anno dazumal hielten bei der Alten Post vor dem Stadttor die Postkutschen. Die Post ist eins der wenigen Gebäude, die den verheerenden Stadtbrand 1765 überstanden haben. 1840 war in dem stattlichen Haus mit dem Telegrafenamt die damals modernste Technik untergebracht worden. Zudem gilt die Post auch als ein Symbol für den Neubeginn der Demokratie in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und nach dem Holocaust – denn in dem Gebäude fand im Frühsommer 1945 die von dem Amerikanern einberufene Landrätekonferenz statt.

Neubau
Die FWD will in der Alten Post und in den geplanten Neubauten betreute Seniorenwohnungen errichten und verkaufen. Die Wohnungen sollen etwa 2500 Euro je Quadratmeter kosten, jedenfalls möglichst nicht mehr als andere Neubauwohnungen in der Stadt.