Überall im Land rüsten die Museen auf. Mit modener Präsentationstechnik und einer klaren Themensetzung wollen die Macher in aktuelle Diskussionen eingreifen und neue Besuchergruppen erschließen. Jüngstes Beispiel ist der Heilbronner Deutschhof.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Heilbronn - Jakob Appel navigiert am Touchscreen. Um ihn herum entsteht eine Salzsavanne, die er nach und nach mit eigentümlichen Pflanzen und noch eigentümlicheren Tieren bestückt. Was wie die Landschaft aus einem Science-Fiction-Film anmutet, liegt tief in der Heilbronner Vergangenheit. Und Appel ist plötzlich mittendrin – in der Trias, mehr als 200 Millionen Jahre vor unserer Zeit, als gefiederte Raubdinosaurier über die Steppe fegten und mit der Entstehung der Salzvorkommen der Grundstock für den heutigen Heilbronner Reichtum gelegt wurde. „Wir hatten die Idee für einen Raum, der die damaligen Lebenswelten im Unterland darstellt“, sagt der Direktor der Städtischen Museen in Heilbronn, Marc Gundel. Und Appel, ein junger freischaffender Illustrator, hat den Auftrag gerne angenommen. 1,5 Millionen Euro hat das Museum im Deutschhof im vergangenen Jahr investiert. Das meiste floss in einen zeitgemäßen Brandschutz.

 

„Keine enzyklopädischen Erzählungen mehr“

Doch gleichzeitig nutzte Gundel die Gelegenheit, um die Dauerausstellung grundlegend zu überarbeiten. Neben einer moderneren Präsentation mit einigen technischen Spielereien ging es auch um eine Selbstbeschränkung. „Wir haben uns für wenige Dinge entschieden, die wollen wir aber vertieft zeigen“, sagt der Museumsdirektor. Die Leitfrage sei dabei gewesen, was Heilbronn gestern und heute bedeutend mache. „Wir wollen keine enzyklopädische Erzählung mehr.“

Heilbronn folgt einem Weg, den viele Museen im Land eingeschlagen haben. Auch anderswo werden Themen herausgegriffen, die für die Identität der jeweiligen Stadt stehen. „Die Zeiten, in denen verstaubte Dreschflegel an der Wand hingen, sind vorbei“, sagt Jan Merk, der Präsident des Museumsverbands Baden-Württemberg. Natürlich seien Pflege und Präsentation der eigenen Sammlung nach wie vor die Kernaufgabe eines Museums. Doch dafür gebe es heutzutage ganz neue Möglichkeiten. Neben Wissenschaftlern würden auch Gestalter, Bühnenbildner und Pädagogen in die Konzeptionierung einbezogen.

Tobias Engelsing, Chef der Konstanzer Museen, spricht von einem „journalistischen Ansatz“. Wichtig sei ein schneller Zugang. „Auch wer nur zehn Minuten hat, muss etwas mitnehmen können“, sagt der ehemalige Lokalchef des örtlichen „Südkuriers“. Dafür gebe es Überschriften. Es folgten Informationen in Meldungslänge und schließlich lange Reportagen. „Mit Touchscreen ist das alles möglich.“

„Viele Städte haben viel Geld in ihre Museen investiert“, sagt Verbandschef Merk. Dies wirke sich auch auf die Besucherzahlen aus. So verzeichneten die Freiburger Museen im vergangenen Jahr mit 312 000 Besuchern einen Rekord. 2015 waren nur 237 000 Besucher gezählt worden. Der Museumschef Tilmann von Stockhausen spricht von einem „Traumergebnis“. Es zeige sich, dass mit attraktiven Ausstellungen mehr Menschen für die Museen gewonnen werden könnten.

Die Museen als Orientierungsort

Seit Anfang der 80er Jahre habe sich landesweit die Besucherzahl von acht Millionen auf 15 Millionen fast verdoppelt, sagt der Verbandschef Merk. „Bundesweit gehen mehr Menschen in die Museen als in die Bundesligastadien.“ Gleichzeitig habe man es mit einem ganz anderen Publikum zu tun. „Das klassische Bildungsbürgertum löst sich auf.“ Im Gegenzug suchten Zugezogene nach Orientierung. Die Museen könnten dazu beitragen, die Stadtgesellschaft neu zu bilden, glaubt Merk, der das Markgräfler Museum in Müllheim (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) leitet. Dafür bedürfe es aber nicht nur einer qualitätvollen Präsentation. „Wir brauchen Relevanz. Wir müssen in aktuelle Diskussionen eingreifen und etwas für heute erzählen.“

Die Flüchtlingsdebatte sei da so ein Thema, findet Engelsing. In einer Sonderausstellung über das jüdische Konstanz präsentierte er einen Blechteller mit einem Zeppelin darauf. Eine alte Frau hatte ihn mit nach Theresienstadt genommen. Im Konzentrationslager erinnerte sie dieser Kinderteller an ihre Heimatstadt. „Da komme ich wieder hin“, habe sie zu sich gesagt. „Wenn Sie diese Geschichte bei einer Führung erzählen, haben 30 Menschen Tränen in den Augen“, sagt Engelsing.