Im Alten Hallenbad in Heidelberg öffnet das erste Museum mit Plastinaten von Gunther von Hagens. Die bis heute zum Teil umstrittene Ausstellung will mehr sein als eine Lehrstunde in Anatomie.

Heidelberg - Seit gut 20 Jahren ist die Ausstellung der „Körperwelten“ des Anatomen Gunther von Hagens, die mit plastinierten Präparaten Einblicke in den menschlichen Organismus bietet, rund um den Globus unterwegs. Jetzt gibt es erstmals eine feste Bleibe für die nach wie vor umstrittene Schau: Im Alten Hallenbad in Heidelberg – der Stadt, in der der Mediziner von Hagens seit 1977 sein Verfahren der Plastination entwickelt hat – öffnete am Donnerstag das neue Körperwelten-Museum seine Pforten.

 

180 Besucher haben sich Tickets für den Eröffnungstag reservieren lassen. Doch noch immer gibt es von einigen Seiten auch kritische Stimmen. „Man sollte sich Zeit nehmen vor einem Urteil“, meinte der Chef der Marketinggesellschaft der Stadt, Mathias Schiemer nach einem ersten Rundgang vor der Eröffnung. „Ich glaube nicht, dass die 45 Millionen Menschen, die die Schau bisher weltweit gesehen haben, nur aus Sensationslust gekommen sind“, sagte er. „Wir hoffen, dass das neue Museum angenommen wird.“

Die Faszination des menschlichen Körpers

Optimistisch zeigte sich auch der Eigentümer des denkmalgeschützten alten Bades, der Immobilienunternehmer Hans-Jörg Kraus, der den Jugendstilbau im Jahr 2008 von der Stadt erworben und aufwendig saniert hat. „Es heißt ja, aller guten Dinge sind drei“, sagte er. Nachdem die ursprünglichen Pläne der Heidelberger Stadtspitze, in dem ehemaligen Schwimmtempel eine Markthalle zu etablieren, in zwei Anläufen gescheitert sei, sei er zuversichtlich, dass man mit dem Museum nun die passende Nutzung gefunden habe. „Die Faszination des menschlichen Körpers in diesem Raum – das ist in meinen Augen ein Volltreffer“, sagte Hans-Jörg Kraus.

Für Gunther von Hagens und seine Ehefrau Angelina Whalley geht mit der Eröffnung des festen Hauses ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. „Bei aller Kritik fühlen wir uns hier willkommen“, sagte Whalley vor Journalisten und erinnerte daran, dass ihr Mann „nur einen Steinwurf von hier entfernt“ vor genau 40 Jahren das Verfahren der Plastination erfunden habe. Damals habe ihm bei einer Führung im anatomischen Institut der Universität ein Präparator einen kleinen Teil eines Hirns in einer Flüssigkeit gezeigt, berichtete der Mediziner selbst. „Das muss man doch anfassen können“, habe er sich gesagt und angefangen zu experimentieren. Mit der Scheibe einer Niere habe er – erfolgreich – begonnen. „Bei einer ganzen Niere war das Ergebnis erbärmlich, sie wurde schwarz, ein klebriger Klumpen. Aber mein Ehrgeiz war geweckt“, schilderte von Hagens, der seit einiger Zeit unter einer Parkinson-Erkrankung leidet und deshalb nur noch selten öffentlich auftritt. „Doch hier zu sprechen“, gestand er anlässlich der Eröffnung, „das war mir eine Herzensangelegenheit.“

Große Exponate zeigen Wellenreiter und Bögenschütze

16 große Ganzkörperplastinate und etwa 120 kleine Objekte zeigen in der Ausstellung wie weit sein Institut das Verfahren zur Plastination seither perfektioniert hat. Die meisten großen Exponate zeigen Körper in Bewegung und beim Sport: An einem Wellenreiter und einem Bogenschützen kann man eindrucksvoll die Spannung der Muskulatur vom Kopf bis in die Fußspitzen studieren. Andere Plastinate geben Einblicke in den Rumpf mit den wichtigen Bauchorganen vom Herz bis zu den Nieren oder zeigen das Netz der Arterien sowie den Darmtrakt.

Es geht um das Nerven- und das Herz-Kreislaufsystem, die Atmungsorgane, Ausscheidung, Fortpflanzung und vorgeburtliche Entwicklung. Doch die Schau, versichert Whalley, „geht weit über eine anatomische Lehrstunde hinaus“. „Körperwelten – Anatomie der Glücks“, so ist die Ausstellung des neuen Museums überschrieben, die – neben dem rein Körperlichen – auch den Empfindungen der Menschen auf die Spur kommen möchte. „Wir wollen bewusst machen, dass das, was wir tun und wie wir leben, auf den Körper zurückwirkt: Glück ist mehr als ein Gefühl, es entsteht in unserem Körper und nimmt auf vieles Einfluss, vom Herzen bis zur Blutgerinnung und dem Schmerzempfinden“, erklärt die Ausstellungsmacherin. „Das kann ich zwar nicht an den Exponaten zeigen, aber ich kann es ansprechen, das ist das Ziel.“

Das Unglück wird dabei nicht ausgeklammert, es ist auch leichter zu veranschaulichen: Ein vergrößertes Herz, eine kranke Prostata, ein Tumor in einer Brust – sie alle liegen, präpariert und plastiniert, gleich in einer der ersten Vitrinen hinter dem Eingang des neuen Museums.