Kritik an der Produktionsfirma Stage Entertainment: Ein Musiker im Orchester des Musical-Produzenten bezeichnet seinen Arbeitgeber als Jobkiller.

Stuttgart - Er will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Auch seine E-Mailadresse will er auf keinen Fall herausrücken. Aber er will sich seine Frustration von der Seele reden. Das Tarzan-Musical, das von Hamburg nach Stuttgart kommt, beschreibt der Musiker im Orchester des Musical-Produzenten Stage Entertainment als Jobkiller. In Hamburg hätten 17 bis 18 Musiker bei der Produktion gearbeitet. In Stuttgart seien es nach dem Unzug des Musicals nur noch zehn. Dies sei aber bisweilen kein Einzelfall. So geht zum Beispiel umgekehrt „Sister Act“ von Stuttgart aus auf Reisen. Es wird bald in Oberhausen gezeigt. Allerdings sei das Orchester dann nur noch halb so groß, sagt er.

 

Die Produktionsfirma Stage Entertainment würde viele Instrumente nach einem Produktionsumzug schlichtweg durch Band oder Keyboard ersetzen. „Und die Stage verspricht live Entertainment mit Orchester“, sagt der Mann verbittert. Nicht nur der Orchestermusiker findet die Praxis des Unternehmens bedenklich. Auch Irmgard Tauss, Gewerkschaftssekretärin des Fachkreises Medien, Kunst und Industrie bei Verdi, empfindet die Etikettierung der Angebote von Stage Entertainment als zunehmend unpassend.

Die Zahl der Kündigungen hat zugenommen

„Die Besucher sollten wissen, dass immer mehr Musik vom Band kommt, anstatt live gespielt zu werden“, sagt sie. Verdi werde als Tarifpartner von der Produktionsfirma im Vorfeld von betriebs- bedingten Kündigungen informiert. Es sei bei solchen Umzügen noch nie ungewöhnlich gewesen, dass es personelle Veränderungen in einem Orchester gibt. „Es ist klar, dass für ,Abba’ zum Beispiel keine Hornbläser gebraucht werden“, sagt sie. Allerdings habe die Zahl der Kündigungen bei einer neuen Produktion an einem Musical-Standort stark zugenommen, sagt Irmgard Tauss.

Bisher konnten Musiker, die bei einer Produktion nicht gebraucht wurden, mit ihrer Wiedereinstellung bei einer anderen Produktion rechnen. Mittlerweile sei eine solche Zusage aber oft das Papier nicht wert, auf der sie niedergeschrieben ist, sagt Tauss. „Für immer mehr Instrumente wird das Band eingeplant, wenn sie für das Musical nötig sind“, sagt sie. So würden immer mehr Orchestermusiker außen vor bleiben, sagt Irmgard Tauss. „Und der Markt ist für Orchestermusiker ohnehin beschränkt. Da gibt es wenig Jobalternativen“, sagt sie.

Die Stimmung unter den Musikern ist schlecht

Dementsprechend schlecht sei die Stimmung auch unter den Stuttgarter Mitarbeitern von Stage Entertainment, sagt Imrgard Tauss. „Zumal das Unternehmen von guten Umsätzen spricht. Niemand kann da so massive Einsparungen am Personal nachvollziehen“, sagt Tauss. Verdi könne allerdings für die von Entlassung bedrohten Musiker wenig tun. „Im Endeffekt ist das eine betriebliche Entscheidung von Stage Entertainment.“

Der Unternehmenssprecher von Stage Entertainment, Stephan Jaekel, sieht das genauso – Personalentscheidungen würden aus rein wirtschaftlichen Erwägungen heraus gefällt, sagt er. Jaekel verweist auf die geringen Gewinnmargen, die es im Geschäft mit den Musicals gäbe. „Wir sind kein staatlich subventioniertes Theater, wir müssen wirtschaftlich sein. Für Stage Entertainment sei beim Einsatz von Musik aus der Konserve oder vom Keyboard entscheidend, ob die hörbare Qualität beeinträchtigt wird. Sprich: Ob das Publikum einen Unterschied zur Live-Musik des Orchesters hören kann. Solange dies nicht der Fall ist, spricht aus betrieblicher Sicht eben alles dafür, Personal einzusparen. Die Zahlen, die der Orchestermusiker nennt, kann Stephan Jaekel bestätigen. Unsozial sei die Politik des Unternehmens aber auf keinen Fall, sagt er. „Die Mitarbeiter bekommen bei uns Jahresverträge oder sogar eine Festanstellung. Das ist in der Künstlerbranche doch sehr ungewöhnlich“, sagt er. Doch die Festanstellung endet bei Stage Entertainment eben immer häufiger mit einer betriebsbedingten Kündigung. Das gehört für Stephan Jaekel aber zum normalen Berufsrisiko. „Nicht nur Musiker haben heute Sorge, dass sie morgen arbeitslos sein können“, sagt er.