Einige Große machen es vor: legale Streaming-Angebote von Musik und Videos boomen. Doch wer aktuelles Material sucht, findet es oft auf dubiosen Portalen. Auch nach neuesten Urteilen sollte man im Zweifel die Finger davon lassen, raten Juristen.

Stuttgart - Die Zeiten in denen man CDs und DVDs in der Videothek an der Ecke ausgeliehen hat, sind längst vorbei. „Streaming“ lautet das Zauberwort, das es möglich macht, mit einer Internetverbindung und einem PC oder Tablet Millionen von Musiktiteln, Filmen oder Serien anzuschauen, ohne das Sofa verlassen zu müssen. Und das rund um die Uhr. Musik-Streaming-Dienste wie Spotify, Rdio oder Deezer gewähren für eine monatliche Pauschale von rund zehn Euro Zugriff auf ihre Musikarchive, die jeweils bis zu 30 Millionen Titel enthalten. Die Online-Videothek Maxdome bietet Film- und Serienfans für acht Euro im Monat mehr als 60 000 Titel auf Abruf („on demand“).

 

Das hört sich zunächst nach einer riesigen Auswahl an. Allerdings stellt man bei genauerer Betrachtung schnell fest, dass viele der angebotenen Filme und Serien älteren Datums sind. Erst vor wenigen Wochen etwa lief im deutschen Fernsehen die dritte Staffel der BBC-Kultserie „Sherlock“. In der Maxdome-Mediathek sucht man diese vergebens. Lediglich die inzwischen vier Jahre alte erste Staffel ist dort verfügbar. Bei Amazons Streaming-Portal „Prime Instant Video“ ist man immerhin schon bei der zweiten Staffel angekommen.

Auch aktuelle Film-Highlights sind Mangelware. Zwar gibt es Kassenschlager neueren Datums, wie „The Wolf of Wall Street“ oder „Gravity“, jedoch nicht im Rahmen des Maxdome-Abos sondern nur als kostenpflichtigen Einzelabruf, der mit vier bis fünf Euro zu Buche schlägt – für eine Leihdauer von 48 Stunden. Bei anderen Anbietern sieht es nicht besser aus.

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Dann gibt es da aber auch noch Portale wie „Kinox.to“ oder „Popcorn Time“, wo man stets die neuesten Kinofilme findet – kostenlos und ohne Registrierung. Dass die Domain-Endung „.to“ zum Königreich Tonga gehört und die Besitzer dieser Domains so vollkommen anonym bleiben können, ist indes kein Zufall: Die Portale sind illegal. Die angebotenen Inhalte verstoßen allesamt gegen das Urheberrecht. Es steht außer Frage, dass sich die Inhaltsersteller damit strafbar machen, aber wie sieht es mit den Nutzern aus?

Im Dezember 2013 geriet das Erotik-Streaming-Portal „Redtube“ in die Schlagzeilen, nachdem die Regensburger Rechtsanwaltskanzlei Urmann + Collegen Zehntausende Redtube-Nutzer wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen abgemahnt hatte. Aus Scham unterschrieben viele der Porno-Konsumenten die Unterlassungserklärung und bezahlten 250 Euro, um weitere rechtliche Schritte zu vermeiden. Inzwischen ist klar, dass die Abmahnungen nicht gerechtfertigt waren, denn das Landgericht Köln hätte die Namen der betroffenen Anschlussinhaber nicht zur Abfrage freigeben dürfen. Mehr noch: Anfang Juni entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die Zwischenspeicherung von Inhalten im Internet-Browser erlaubt ist und nicht gegen das Urheberrecht verstößt. „Diese Entscheidung ist auch auf das Streaming anwendbar, da beim Streaming lediglich eine flüchtige Kopie im Arbeitsspeicher entsteht, die gemäß Paragraf 44a keine Urheberrechtsverletzung darstellt“, erklärte der Kölner IT-Anwalt Christian Solmecke gegenüber dem IT-Fachportal „Golem.de“.

Folgt man dieser Rechtsauffassung, so wäre es auch nicht strafbar, sich aktuelle Kinofilme bei Portalen wie „Kinox.to“ anzuschauen. Unter Juristen ist das jedoch umstritten. Gesetzliche Regelungen, die das Streaming illegaler Quellen eindeutig für legal beziehungsweise illegal erklären, fehlen. „Grundsätzlich ist Streaming erlaubt, solange nichts vervielfältigt wird“, so der Stuttgarter Anwalt Markus Höss. „Sollte allerdings ein Angebot eindeutig als illegal erkennbar sein, beispielsweise wenn aktuelle Kinofilme gezeigt werden, kann man sich unter Umständen auch beim Streaming strafbar machen.“ Wer auf Nummer sicher gehen und Abmahnungen vermeiden will, sollte dubiose Angebote meiden, empfiehlt Höss.

Für Anwaltskanzleien sind Massenabmahnungen ein einträgliches Geschäft. Sobald Rechteinhaber darauf aufmerksam werden, dass ihre Inhalte illegal im Internet verbreitet werden, beauftragen sie auf Abmahnungen spezialisierte Kanzleien. Diese beschaffen sich die IP-Adressen derjenigen, die sich die illegalen Inhalte anschauen. Falls sie diese nicht direkt vom Anbieter bekommen, müssen sie fragwürdige Tricks einsetzen. Im Fall Redtube sollen Betroffenen zum Beispiel über Schreibfehler-Adressen wie Retdube geleitet worden sein, wo ihre IP registriert wurde. Wenn dann ein Gericht dem Antrag der Kanzlei stattgibt, dass die Provider die zu den IP-Adressen gehörigen personenbezogenen Daten herausgeben müssen, steht einer Abmahnwelle nichts mehr im Wege.

„Für Anwaltskanzleien lohnen sich Massenabmahnungen aber nur dann, wenn sie mit möglichst wenig Aufwand verbunden sind“, erklärt der Anwalt Markus Höss. „Aus diesem Grund macht es bei einer Abmahnung immer Sinn, einen Anwalt einzuschalten. Dadurch erhöhen sich nämlich die Kosten für die abmahnende Kanzlei deutlich. Das wiederum kann dazu führen, dass die Abmahnung zurückgenommen wird oder man sich auf ein günstigeres Vergleichsangebot einigt.“

Während die Produktionsfirmen alles dafür tun, die illegalen Streaming-Dienste vom Netz zu nehmen und die Nutzer abzuschrecken, greifen die Anbieter zu immer ausgefeilteren Methoden. Nachdem in Deutschland jüngst Nutzer der Plattform „Popcorn Time“ abgemahnt wurden, führten die Macher kurzerhand kostenlose VPN-Zugänge ein. Bei dieser Technik schickt der Nutzer seine Anfrage nicht direkt an die Zielseite, sondern über eine verschlüsselte Verbindung an den Server des VPN-Anbieters. Dieser teilt ihm eine anonyme IP-Adresse zu, mit der er unerkannt im Netz surfen und im Fall von „Popcorn Time“ Filme streamen kann. Die Ermittlung des Anschlussinhabers über die IP-Adresse wird durch den VPN-Zugang deutlich erschwert. „Die Sicherheit unserer Nutzer kommt bei uns an erster Stelle“, so die Macher von „Popcorn Time“.