Im Rahmen eines bundesweiten Aktionstags haben auch in Stuttgart Vertreter von muslimischen Verbänden religiösen Extremismus und Terror im Namen des Islam verurteilt. Dieses sei ein Missbrauch der Religion und widerspreche dem Geiste des Islam.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Szenerie wirkt wie an einem gewöhnlichen Freitag. Ein Parkplatz ist rund um die Mauserstraße in Feuerbach nur schwer zu finden, das ist immer so um die Zeit der Freitagsgebets, schon bald werden die türkischen Lokale und Geschäfte rund um Stuttgarts größte Moschee bevölkert sein. Etwa 1000 Männer haben sich heute in dem großen Gebetsraum der Moschee eingefunden und etwa 150 Frauen im kleineren, schätzt Ismail Cakir, der Vorsitzende der Gemeinde.

 

Als die Gläubigen gegen 14 Uhr aus dem Gebetsraum in den Innenhof der Moschee strömen, werden sie schon erwartet. Neben einem Tisch ist eine Lautsprecheranlage aufgebaut. Viele gehen vorbei, vielleicht 200 Männer bleiben stehen. Im Rahmen eines bundesweiten Aktionstags gegen religiösen Extremismus, den die großen muslimischen Verbände veranstalten, steht Stuttgarts größte Moschee im Zentrum im Südwesten.

Kein Platz für Extremismus und Gewalt

Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) trägt passend zum Anlass ein schwarzes Shirt mit der Aufschrift „Coexist“, was so viel heißt wie nebeneinander bestehen, drei der weißen Lettern werden von einem Halbmond, dem Davidstern und einem Kreuz gebildet. Ihre Teilnahme an dem Aktionstag, der vor dem Hintergrund der Gewalttaten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) im Nahen Osten zustande gekommen ist, begründete die Ministerin damit, dass es „für Extremismus und Gewalt im Namen von Religion keinen Platz geben darf“.

In ihrem gemeinsamen Verständnis, dass der Dialog und die Anerkennung des anderen eine selbstverständliche Pflicht sei, dürften sich die Religionsgemeinschaften durch Extremisten nicht auseinanderbringen lassen, sagte Öney. Deshalb sei der Aktionstag „ein wichtiges Zeichen“, betonte sie, „das auch erwartet wurde“. Am Rande erklärte sie, durch die Taten der IS-Terroristen sei „eine große Verunsicherung in der Bevölkerung entstanden“. Deshalb sei es wichtig, „dass sich die Muslime heute eindeutig von Extremismus, Hass und Gewalt distanzieren“. Und sie könne sich nur dann überzeugend für die Muslime im Land einsetzen, wenn diese sich umgekehrt auch für die Religionsfreiheit der anderen einsetzten, merkte Öney an. Dazu gehöre, dass diese sich auch dafür stark machen, „dass Christen auch in muslimisch geprägten Ländern Kirchen bauen und Gottesdienste abhalten können“. An der Veranstaltung nahmen auch Vertreter der evangelischen Landeskirche Württemberg, der Diözese Rottenburg-Stuttgart, der jüdischen Gemeinde und der griechisch-orthodoxen Kirche teil.

IS-Terroristen missbrauchen den Islam

Erdinc Altuntas, der Landesvorsitzende des Verbands DITIP, der etwa 100 000 der insgesamt rund 650 000 Muslime in Baden-Württemberg vertritt, wehrte sich gegen ein verzerrte Bild des Islam, das durch die IS-Terroristen erzeugt werde. „Der Islam ist eine Religion des Friedens“, sagte Altuntas. „Wir lehnen jede Gewalt ab“. Mit einer Reihe von Koransuren unterstrich er dies. Grausamkeiten gegen Menschen im Namen Allahs zu begehen wie im Nahen Osten, sei „Missbrauch“ des Islam.

Mit der Aktion machten die Verbände auch auf eine zunehmende Anfeindung von Muslimen in Deutschland aufmerksam. So sei es seit 2012 in der Republik zu rund 80 Übergriffen auf Moscheen gekommen. „Das ist eine beunruhigende Zahl“, sagte Erdinc Altuntas. Der DITIP-Landesvorsitzende räumte auf Nachfrage ein, dass man die jetzige Klarstellung „vielleicht schon etwas früher hätte machen können“. Gökay Sofuoglu, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschland aus Fellbach, sagte denn auch: „Das war sehr überfällig.“ Inzwischen vermuteten manche in Deutschland hinter jedem Muslim einen Terroristen.