Grausam zugerichtete Leichen und Zehntausende von Bildern mit Gewaltpornografie: Die Beamten der Soko „Alaska“ müssen in die sexuellen Abgründe des möglichen Serienmörders Manfred S. blicken.

Wiesbaden - Als die Ermittler 2014 die zerteilte Leiche von Britta D. in der Garage von Manfred S. sehen, ist schnell klar: Das ist vermutlich keine Einzeltat. „Bei einem solchen Delikt ist dies nahezu ausgeschlossen“, sagt Fahnder Frank Herrmann. Sofort wurde nach Parallelen zu anderen ungeklärten Fällen gesucht. Seit September 2015 arbeitet sich die Sonderkommission „Alaska“ des hessischen Landeskriminalamtes akribisch durch unzählige Akten, sucht bundesweit nach möglichen Verbindungen zu anderen Bluttaten.

 

Die Gruppe besteht aus acht Beamten, zeitweise kommen noch DNA-Analytiker und andere Experten zur Verstärkung hinzu. „Wir sind in unseren eigenen Aktenbeständen zurück gegangen bis zu den Fällen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg“, berichtet Herrmann am Freitag. Dadurch seien die Fahnder beispielsweise auf die beiden Fälle von 1971 gestoßen, die mit Manfred S. in Verbindung gebracht werden. Die verstümmelten Leichen der beiden Arbeitskolleginnen Gudrun E. und Hatice E. waren in Bad Vilbel und Frankfurt am Main entdeckt worden.

Alle möglichen Taten des inzwischen gestorbenen Rentners vereine, dass sie deutlich über ein typisches Sexualdelikt hinausgingen. „Da ist etwa die besondere Grausamkeit“, sagt Kriminalhauptkommissar Holger Thomsen von der Soko „Alaska“. Anders als bei spontan und emotional ablaufenden Sexualdelikten sei der Täter bei der mutmaßlichen Serie sehr stringent vorgegangen. „Die sexuelle Komponente liegt auf einer anderen Ebene“, erklärt Herrmann. „Die eigentliche Tat fängt erst nach der Tötung an.“

Kannibalismus nicht ausgeschlossen

Alle Fälle der mutmaßlichen Serie haben gemeinsam, dass den Opfern Organe oder Leichenteile herausgeschnitten oder abgetrennt und vom Täter mitgenommen wurden. Auffällig dabei: Es fehlt jeweils ein Körperteil. Womöglich hat sich der Täter einschlägige Horrorfilme zum Vorbild genommen, in denen aus den Teilen von Toten neue Körper gebildet werden, so eine Hypothese der Fahnder. Auch Kannibalismus schließen sie nicht aus.

Die Ermordung von Britta D. werde als „High End Delikt“ betrachtet, sagt Herrmann. Vermutlich anders als zuvor habe der Täter hier die ganze Leiche in Fässer gepackt und in seiner Garage lange Zeit aufbewahrt. Fast die ganze Leiche - der linke Arm fehlt. „Obwohl er ohne Probleme noch in ein Fass gepasst hätte“, sagt Herrmann.

Die tägliche Arbeit mit den vielen, sehr blutigen und grausigen Details, bewältigen die Ermittler mit einer „professionellen Distanz“, wie Herrmann sagt. Der 45 Jahre alte Kriminalhauptkommissar ist seit 1990 bei der Polizei, seit 1999 bei der Mordkommission. Sein ein Jahr älterer Kollege Thomsen ergänzt: „Man kommt ja um diese Arbeit nicht herum, man muss eine Mauer drumherum bauen.“

Tragödie für die Familie

Dies heiße nicht, dass man kein Mitgefühl zeige. „Als Mordermittler muss man sich nur täglich vor Augen führen, dass es nicht das eigene Schicksal ist, was man dort bearbeitet“, sagt Thomsen.

Bei den Angehörigen von Manfred S. herrsche „tiefe Betroffenheit“, berichtet der 46-Jährige. Es bestehe für die Ermittler nicht der Hauch eines Zweifels, dass sein privates Umfeld von dem Doppelleben nichts wusste. „Dass für sie eine Welt zusammenbricht, liegt auf der Hand.“ Für die Familie sei das eine Tragödie.

Der Name „Alaska“ bezieht sich auf einen Spitznamen von Manfred S., wie Herrmann berichtet. Er sei von seinen Freunden aus der Musikerszene so genannt worden. Dass der gestorbene Verdächtige nicht befragt werden könne, mache die Sache nicht einfacher, erklärt Thomsen. „Das wäre natürlich ein Traum, wir würden uns brennend wünschen, mit ihm reden zu können.“ Andererseits sei es auch nichts Ungewöhnliches, dass Verdächtige nichts sagen - selbst wenn sie noch am Leben sind.