29-Jährige muss für Totschlag ihres Babys fast fünf Jahre in Haft - Mehrfache Mutter ließ Tochter nach einer Hausgeburt sterben.

Bamberg - Als der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer, Manfred Schmitt, am Dienstag über Katja P. eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten für den Totschlag ihres Neugeborenen durch Unterlassen verhängt, hebt die 29-Jährige nicht einmal den Kopf. Wie während des gesamten Prozesses vor dem Landgericht Bamberg verhindert die blasse Frau mit den langen schwarzen Haaren jeden Blick auf ihr Gesicht. Stundenlang verharrt die Frau aus der Nähe von Stuttgart mit dem Rücken zum Publikum, ihren abgewinkelten Arm auf den Tisch vor sich gestützt, den Kopf gegen die Faust gelehnt.

 

Das Ausblenden der Realität, das sich in eine Scheinwelt flüchten und Konflikten aus dem Weg gehen, seien wesentliche Persönlichkeitsmerkmale der 29-Jährigen, attestiert ihr der Psychiater Norbert Nedopil in seinem Gutachten. Er bescheinigt Katja P. zwar eine auffällige Persönlichkeit und „emotionale Unbeteiligtheit“, hält sie aber für voll schuldfähig.

Die junge Frau habe sich in ihrem Leben immer durchgemogelt, nach dem Motto: „Das wird sich schon irgendwie geben“. Ihrem Leben eine Richtung zu geben, zu planen und vorauszusehen oder Kritik anzunehmen, habe sie nie geschafft, fasst Nedopil zusammen.

Der erste von fünf Söhnen kam mit 19 Jahren

In dem zweitägigen Prozess hatten die Zuschauer ausreichend Gelegenheit, die Konsequenzen dieses Lebensstils zu erfahren: Die Angeklagte erzählte, wie sie als 19-Jährige 2002 zum ersten Mal Mutter eines Sohnes wurde, deswegen keine Berufsausbildung machte, 2003 ein totes Mädchen in der Wohnung ihrer Eltern gebar und zwischen 2006 und 2009 erneut drei gesunde Jungen zur Welt brachte - von drei verschiedenen Männern und ohne weiteren Kontakt zu den jeweiligen Vätern zu haben.

Ende 2009 wurden ihr dann die vier Söhne weggenommen - weil sie laut einer Sozialarbeiterin zuhause verwahrlosten.

Im August 2010 lernte Katja P. im Internet einen jungen Mann aus Walsdorf im Landkreis Bamberg kennen, bei dem sie kurze Zeit später einzog. Im Oktober will sie dann festgestellt haben, von einem One-Night-Stand in Stuttgart erneut schwanger geworden zu sein.

Die Schwangerschaft hielt sie geheim, auch vor ihrem Lebensgefährten, der davon seiner eigenen Aussage nach auch überhaupt nichts bemerkt hatte. Als sie im Januar 2011 alleine in der Wohnung in Walsdorf (Landkreis Bamberg) war, brachte sie auf der Toilette ein Mädchen zur Welt.

Ihr sei in dem Moment die Totgeburt aus 2003 in Erinnerung gekommen, erklärte sie laut früheren Aussagen bei Polizei und Ermittlungsrichter. Sie habe einen Schock bekommen, einen Blackout gehabt und sei ins Schlafzimmer geflüchtet. Ihr Baby habe sie auf dem Boden im Badezimmer zurückgelassen, aber bis zur Brust mit einem Tuch zugedeckt. Als sie nach etwa zwei Stunden zurückgekehrt sei, sei das Kind tot gewesen. Sie habe es in eine Plastiktüte gepackt, etwa ein halbes Jahr im Schlafzimmer aufbewahrt und im Juni 2011 in einem Müllsack unter einem Gebüsch in der Nähe versteckt. Danach sei sie zurück nach Baden-Württemberg gegangen.

Eine Spaziergängerin entdeckte die Leiche am 23. Oktober 2011. Eine genaue Todesursache konnte die Gerichtsmedizin zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ermitteln. Sie geht aber davon aus, dass das Baby an Unterkühlung starb.

Ein Badetuch, in das das tote Kind gewickelt war, führte schließlich zum Ex-Freund von Katja P., im Dezember 2011 wurde die junge Frau festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon wieder schwanger: Von einem 27-Jährigen aus Renningen, der sie heiraten wollte.

Verlobter beendet Beziehung vor Gericht

Vor Gericht macht der junge Mann am Dienstag während seiner Zeugenaussage Schluss mit Katja P: „Verlobt waren wir, aber jetzt nicht mehr“, sagt er dem Vorsitzenden Richter. Er habe erst von der Polizei vom Vorleben seiner Verlobten erfahren, dies habe ihn tief getroffen. Er werde sie nicht heiraten. „Ich kann es nicht, es geht nicht“, sagt er. Für das gemeinsame Kind wolle er das alleinige Sorgerecht. Auch diese Aussagen nimmt Katja P. regungslos auf.

Dem Urteil war eine Absprache der Prozessbeteiligten vorausgegangen, in der der 29-Jährigen gegen ein Geständnis maximal fünf Jahre Haft in Aussicht gestellt wurden. Die Staatsanwaltschaft hatte diesen Rahmen in ihrem Antrag voll ausgeschöpft, die Verteidigung hatte maximal vier Jahre Gefängnis gefordert.