Marcel Jurincic, auch bekannt als DJ und Produzent Marcelo Wallace, ist von Stuttgart nach Hamburg gezogen. Zweieinhalb Jahre verbrachte er im Norden und kehrte nun zurück. Wir haben nachgefragt und baten um ein paar Erinnerungen aus seiner Fotokiste.

Stadtkind: Tanja Simoncev (tan)

Stuttgart - Klar, DJs sind viel unterwegs - wenn's gut läuft, dann wird auch mal jedes Wochenende in einer anderen Stadt aufgelegt. Doch Marcel Jurincic, auch bekannt als DJ und Produzent Marcelo Wallace, reichte das irgendwann nicht mehr. Er wollte raus aus Stuttgart, weg aus seiner Homebase und von all dem, was war. "Es ging einfach nichts mehr voran", befand er. Im Oktober 2013 kehrte er der Mutterstadt den Rücken. Hamburg war sein Ziel, das er nie so klar sah. Zweieinhalb Jahre verbrachte der 28-Jährige im hohen Norden und kehrte zurück. Wieso, weshalb, warum? "Mir wurde alles zu viel, ich wollte einfach nur weg aus Hamburg."

 

Doch erstmal zurück auf Anfang. Marcel, der in Herrenberg aufgewachsen ist, fing schon früh an, sich für Musik zu interessieren. "Meine ersten Platten habe ich mit 13 Jahren gekauft, damals noch bei Emil a.k.a. DJ Emilio im Soundshop", erinnert sich der DJ und Produzent. Und damals fing das auch alles an mit der Mucke und dem Auflegen und Produzieren. "Ich kann stolz verkünden, dass ich dieses Jahr mein 15-jähriges DJ-Jubiläum habe."

Als Hip-Hop noch real war

Kein Wunder hatte sich der "Heimkehrer" vor Jahren für eine Ausbildung bei Energy zum Mediengestalter für Bild und Ton entschieden. Damals habe er im Römerkastell u.a. Radio-Spots zusammengebastelt und dort immerhin über vier Jahre geackert. Marcel machte sich irgendwann aber selbstständig und fing an Beats und Musik für Soundtaxi zu kreieren, einer Library für Werbemusik. "Ich hatte ja schon immer Beats produziert und ich habe gerappt, gesprayt und getanzt - im Grunde bin ich ein echter Hip-Hoper, wenn man so will." 

Damit begonnen habe er übrigens in der Zeit, als Kopfnicker rauskam, die Kolchose im Städtle immer größer wurde und dieser bestimmte Spirit an jeder Ecke zu spüren war. "Das inspirierte mich, Platten zu kaufen und selbst Musik zu machen, schon als kleiner Stöpsel wollte ich einfach nur machen." Damals habe Marcel in Herrenberg auch ganz viele Hip-Hop-Jams besucht und er erinnert sich an das Hip-Hop-Open 2000. "Das war mein erstes Festival und ein ganz besonderes Erlebnis. Und es macht mir bewusst, dass alles so ein bisschen an Wertigkeit verloren hat, dass eben nichts mehr so ist, wie es mal war." 

Marcel hatte schließlich auch den Weg ins Nachtleben gefunden und bestritt dort einige Jahre an den Reglern. Zuerst im Lips beim Kleinen Schlossplatz, später im Tonstudio, Aer Club und der Corso Bar. Vor allem in letzterer Location sei er lange am Start gewesen, habe die Invaders-Party, die es immer noch gibt, mit Kumpel PhilP eröffnet. "Und dann bin ich irgendwie durchgestartet, aber irgendwie auch nicht. Irgendwann ging mir die Nightlife- und Musik-Business-Mentalität ein bisschen auf die Nerven. Da bin ich bestimmt nicht der einzige Künstler, der so denkt." 

Ab nach Hamburg

Tja, es kam, wie es kommen musste. Der damals 26-Jährige wollte raus aus dem Kessel. "Ich bin ein spontaner Mensch und mache immer das, was mir gerade in den Sinn kommt. Deshalb dümpel ich zwar immer noch in der Gegend rum, aber habe dafür auch schon viele tolle Dinge erlebt", sagt er. Darko, Marcelos Bruder, war vor etwa drei Jahren für sein Studium nach Hamburg gezogen "und ich habe ihn dann dort besucht und es hat mich voll geflasht." Und weil der DJ seinen Job bei Energy sowieso gekündigt hatte und arbeiten konnte, wo er wollte, hatte sich Hamburg einfach auch angeboten. "Hier in Stuttgart ging's einfach nicht voran." Man habe hier und da ein bisschen Hip-Hop aufgelegt. "Aber in Hamburg flutschte das irgendwie anders. Das hat mich einfach gereizt." 

Und so packte Marcelo einfach spontan das Auto voll, verabschiedete sich mit den Worten: "Mama, ich geh jetzt nach Hamburg" und kehrte Stuttgart den Rücken. "Ich war schon auch traurig, man verlässt da ja seine Heimat, aber es war einfach die Zeit. Ich wusste, ich muss jetzt gehen." Und in Hamburg ging dann alles ganz schnell. Der Musik-Liebhaber lernte gleich Sedat, auch schon sehr lang DJ, kennen, mit dem er nur kurze Zeit später schon das Projekt "7Register" gründete. "Wir haben uns beide einfach gut getan." Eines führte zum anderen, der neue Kumpel machte Marcelo einen Studioraum in einem Luftschutzbunker klar, es lief. "Gesund war das nicht, aber echt irre und flashig", so Marcelo. "Und plötzlich habe ich mir das Studio mit Digitalism, einem total erfolgreichen Produzenten-Duo, geteilt." 

Beats droppen vs. Bandscheibenvorfall

Ja, es lief richtig gut in HH, fast schon zu gut. Marcelo legte viel auf, lernte immer mehr Menschen kennen und saß auf einmal mit Boris Dlugosch im Studio. "Da habe ich das erste Mal Anerkennug bekommen, für das was ich da tue - ein gutes Gefühl. Doch dann wurde das alles irgendwann viel zu extrem, ich war zu sehr in dieser Underground-Szene drin und mich nahm das alles zu sehr mit." Marcelo habe zu dem Zeitpunkt zwar ständig etwas gemacht, aber hatte trotzdem keine Kohle. Und da schlug sein Körper Alarm. "Vor einem Jahr habe ich dann einen Bandscheibenvorfall bekommen." 

Trend-Charts, Feierei und Hamburgs Künstlerviertel konnten schließlich nichts an Marcelos Entschluss ändern, der DJ wollte raus aus der Hansestadt. Ihm war einfach alles zu viel geworden, er wollte wieder zur Ruhe finden, alles hinter sich lassen und gesund werden. Klar, habe er es genossen, gegenüber von Samy Deluxes Burgerladen zu wohnen, ständig anderen Künstlern zu begegnen "und wir, vor allem aber meine Freundin, haben Hamburg schweren Herzens verlassen. Aber ich konnte nicht mehr." 

Zurück in der Mutterstadt

Anfangs, im März 2016, zurück im Schwabenländle zu sein "war echt nicht easy", sagt Marcelo rückblickend. "Ich dachte nur: Was geht denn hier? Irgendwie nichts." Aber jetzt geht's langsam aber sicher wieder voran. Der DJ macht jetzt wieder viel Werbe-Musik, hat sein Studio renoviert. "Ich habe den Eindruck, dass die Stadt aus allen Nähten platzt, es sind viele neue Leute da, es gibt viele neue Läden." Da sei er erstmal überrascht gewesen. "Aber es gibt hier schon auch coole Sachen und ich bin froh wieder hier zu sein." 

Und es juckt ihn auch schon wieder in den Fingern, schließlich hatte Marcelo in Hamburg von Donnerstag bis Samstag aufgelegt, viele Open-Airs bespielt. "Das vermisse ich hier sehr. Gibt's hier eigentlich Open-Airs?" In Hamburg würden sich im Sommer jedes Wochenende mehrere kleinere Local-Open-Airs abspielen, das sei schon geil. "Ich kriege grad auch Gänsehaut, wenn ich darüber nachdenke. Aber genauso hat mich der Kessel, den ich eh immer im Herzen hatte, gepackt. Es war wichtig mal weggewesen zu sein, um das schätzen zu wissen, was die Stadt zu bieten hat."

Wer Marcelo live sehen will, sollte diesen Freitag mal im Kala Club auf der Theo vorbeischauen. Die Veranstaltung "Supermarket" von Weview mit Marcelo Wallace & Friends wird ab sofort regelmäßig stattfinden.